Wenn ich einen Jesusfilm sehe, muss ich immer an denselben Stellen weinen. Beim Bibellesen geht mir das nicht so. Aber ich bin tief berührt, wenn ich diesen in die Ecke gedrängten, schwachen, gedemütigten, misshandelten Menschen Jesus SEHE. Ich muss mir Jesus immer wieder „herholen“ aus seiner Unsichtbarkeit heraus. Und er kommt mir dann besonders nah, wenn ich selbst mich in ihm entdecke. In dem schwachen, traurigen, verzweifelten, zermürbten, ringenden, bittenden Jesus sehe ich meiner eigenen Angst, Trauer und Schwachheit ins Antlitz. Weiß ich mich von Gott verstanden und gesehen. Bricht sich seine göttliche Allmacht auf in Nahbarkeit, Menschlichkeit, Erbarmen.
Als ich mich in einer Lebenskrise fragte, ob Gott mich etwa allein gelassen hat, ob er mich vergessen hat, fallen gelassen, am ausgestreckten Arm verhungern lässt, legte mein Seelsorger dieses Bild vor mich und fragte: „Können Sie damit etwas anfangen?“
Bilder sprechen manchmal eine lautere Sprache als Worte. Fassungslos starrte ich auf Jesus und die Frau. Ich nahm das Bild und ging. Im Auto schrieb ich darunter:
„Echt krass! So nah? So intim? So auf Augenhöhe? So verschwitzt, verwundet, verletzt, verhöhnt, blutend, geschunden, nah? Für mich?? Aus solch tiefer Liebe? So viel bin ich wert?? Herz an Herz… kommt mir Jesus so nah? Hat er all das ganz persönlich für mich ausgehalten?? Wie steht es mit mir und Jesus?
Über mein Gottesbild habe ich mir hier und da Gedanken gemacht. Aber wie steht es mit meinem Jesusbild? Jesus ist mein Hirte, er geht mir voran, aber dass er mich in den Arm nimmt? Mich so körperlich mit seinem Blut reinwäscht??“
Das Bild war eine Provokation für mich, zu konkret, zu persönlich, zu grenzwertig. Zu blutverschmiert, zu körperlich …
In den nächsten Tagen wirkte das Bild in mir nach, änderte mein Jesusbild und führte mich zu der Frage nach meinem Selbstbild. Jesus war nicht länger der saubere, abgeklärte Hirte, der weit vorausging, unerreichbar weit, so weit dass er manchmal schon um die Ecke gegangen schien, unsichtbar, nicht mehr viel mehr als eine Erinnerung, eine Ahnung. Ich war nicht länger das verlorene Schaf, das verzweifelt durch die Welt irrte, mutterseelenallein, hilflos, verloren. Ich war wieder daheim, angekommen bei diesem verletzten, mitfühlenden Jesus, in seinen göttlichen Armen.