Es ist nicht gerade ermutigend zu sehen, wie in unserem erweiterten Bekanntenkreis scheinbar gefestigte Ehen auseinander gehen. Was können wir dafür tun, dass wir in 20 Jahren nicht an eben diesem Punkt sind?
Die Liebe im Ehe-Alltag zu bewahren bleibt eine lebenslange aber lernbare Herausforderung. Zumindest haben wir das in unseren bisherigen 23 Ehejahren immer so erfahren. Die gute Nachricht lautet, dass es andererseits Jahrzehnte dauern kann, bis Liebe ihren Höhepunkt erreicht. Bei uns war das zumindest so. Wenn ich darüber nachdenke, warum wir heute immer noch zusammen sind, mache ich dafür neben Gott folgende Ehe-Punkte verantwortlich:
Kommunikation
Das Wichtigste erscheint mir, das Alphabet der Kommunikation zu erlernen:
Zu lernen, Gefühle ehrlich auszudrücken, bis jeder ganz sich selbst sein kann.
Wünsche auszusprechen, anstatt zu warten bis der Partner sie von den Augen abliest. Diese Sozialromantik kann sich keine Ehe leisten. Lernen, Störendes auf eine Art auszudrücken, die nicht verletzt, Vergangenes nicht aufrechnet.
Aber: Lernen, sich verletzlich zu machen, einen Zugang zueinander zu schaffen von Seele zu Seele. Das heißt, auch als Mann eine Nahbarkeit zu zeigen, die wirkliche Nähe schafft. Zu zeigen, wo man unsicher ist, bedürftig, schwach, fehlerhaft. Es hat Jahre gedauert, bis wir es zu dieser Intimität geschafft haben. Im Gespräch bleiben – über Bedürfnisse, über Enttäuschungen. Es gibt keine Abkürzung zum Gespräch. Eine gute Ehe ist wie eine lebenslange Unterhaltung. Also: Reden! Und: Zuhören! Nicht umsonst hat Gott uns zwei Ohren und einen Mund gegeben. Es macht einen großen Unterschied, ob jemand mir ein halbes Ohr leiht oder mir ungeteilte Aufmerksamkeit widmet. Es ist unschätzbar, wie leicht man einander Wertschätzung allein durch aktives Zuhören schenken kann.
Ein interessierter Mensch ist ein interessanter Mensch. Am Anfang einer Beziehung praktizieren wir das ganz selbstverständlich: Aus tiefem Interesse am anderen fragen, zuhören, sich mitteilen. Die Gespräche drehen sich im Kern darum, wer wir sind, was uns ausmacht, wohin wir wollen, wie wir denken. Irgendwann, wenn wir meinen, auf dem Gipfel der Vertrautheit angekommen zu sein, lässt das Interesse nach. Wir meinen, den anderen nun in- und auswendig zu kennen und erwarten kein Neuland mehr. Ein folgenschwerer Irrtum. Genau in dieser Zeit hat sich der Partner schon wieder verändert!
Einer für alles??
Erwartungen realistisch halten – unser Partner wird nicht all das bieten, was wir uns von ihm wünschen. Wir können es tröstlicherweise umgekehrt auch nicht. Ent-Täuschungen sind so sicher wie ungefährlich, sage ich mit dem Abstand gelebter Jahre. Wenn das Fundament der Beziehung stimmt, können wir lernen, sie zu integrieren. Wir haben „Ja“ gesagt zu dem Besonderen im Anderen. Die Entscheidung „Ja“ zu sagen zu dem Gewöhnlichen, Enttäuschenden im Anderen ist oft der Wendepunkt einer „angenagten“ Beziehung. Die Erkenntnis, dass der Andere so fehlerhaft und schwach ist wie man selbst, macht den Weg frei zueinander und zu Jesus. Dort ist ein guter Platz für diese schmerzhaften Gefühle, von dort kommt die Liebe zum Schwachen, Unvollendeten.
Manches wird der Partner nie mit uns teilen, aber das macht nichts. Solange wir einander den Freiraum zugestehen, manches mit anderen zu erleben. Bei mir sind das z.B. gute Nackenmassagen, Kinobesuche und der Austausch über gelesene Bücher. Hierzu gehört für mich ganz zentral, dass man den anderen zu nichts formen möchte, sondern sich gegenseitig unterstützt sowohl in seinen Stärken als auch in seinen Schwächen.
Alltag
Der Übergang von Geborgenheit zu Langeweile ist fließend. Mit den Jahren schleicht sich Routine ein - in die abendliche Freizeitgestaltung, ins Gespräch, in die Sexualität. Unmerklich ist man im Begriff, abzustumpfen, für die eigenen Bedürfnisse und für die des anderen. Der Austausch wird flacher, die gegenseitige Anerkennung geringer.
Man funktioniert zwar gut, aber man arrangiert sich auch in manchen Bereichen mehr als dass man noch versucht, sein Bestes zu geben. Hier und da nimmt man Unzufriedenheit wahr, deckt sie aber zu aus Mangel an Energie, Zeit oder Mut ehrlich zu sein. Es steht nicht wirklich schlecht um einen, aber auch nicht so gut wie man gern glauben würde.
Wir haben für uns entschieden: Wir möchten nicht mehr in diesen Trott verfallen, unsere Abende gleichgültig nebeneinander zu verbringen und das akzeptieren. Wir möchten uns regelmäßig Zeit freihalten für Gespräch, Nähe, Zärtlichkeit, Spaß, und das auch als Freiraum von den Kindern erkämpfen. Wir werden Zeit, Kraft und Geld dafür investieren, uns nicht aus den Augen zu verlieren und immer wieder unsere beste Zeit miteinander auf eine Weise zu verbringen, die uns gut tut. Wir möchten nicht resigniert denken, dass in unserer momentanen Familienphase eben wenig Zweisamkeit möglich ist. Wir werden das auch unseren (auch den heranwachsenden) Kindern vermitteln.
Meist leben wir in verschiedenen Welten. Wenn wir nach der Umtriebigkeit des Tages abends zusammen treffen, prallen oft unterschiedliche Erwartungen aufeinander. Für uns war es ein Akt der Barmherzigkeit und der Ersten Hilfe, das Nach Hause kommen zu einem Ritual zu machen. Die ersten Minuten waren für uns persönlich reserviert. Schon unsere kleinen Kinder wussten das. Etwas zu Trinken, eine Kleinigkeit zu Essen, die Kinder raus aus der Küche und unsere Schwingungen wieder aufeinander abstimmen. Wie war dein Tag? Was beschäftigt dich?
Später haben wir uns einen Hund gekauft. Er verhalf uns zu abendlichen Gesprächszeiten in der freien Natur. Da die Kinder bald nicht mehr so gerne mitgingen, war das der ideale Ausgangspunkt, um uns nach den Turbulenzen des Alltags wieder neu zu finden.
Es lohnt sich, gerade in den Jahren in denen es hoch hergeht, jeden übrigen Euro in die Hände zuverlässiger Babysitter zu geben, die Lokale der Umgebung und eure Herzen neu kennen zu lernen. Und: Einmal im Jahr, besser zweimal, ein ganzes riesenlanges Wochenende nur zu zweit zu verbringen. Abstand gewinnen von Getümmel und Verantwortung. Raum schaffen für Spontaneität, Spaß, Wohlgefühl, Gespräch. Spüren: Es gibt uns noch. Wir haben uns etwas zu sagen jenseits von Kinder Küche Karriere. Wir sind uns vertraut und dennoch fremd genug, um uns anzuziehen.
Streiten
Aufmerksam werden, wenn man vermehrt streitet. Das kann normal sein, wenn der gemeinsame Alltag zum Bersten voll ist und sich ständig die Anforderungen durch Kinder und Job ändern. Ungut, aber normal. Aber es kann auch eine Art Gärpfeife sein für Dämpfe, die – schön zugedeckelt – schon länger im Inneren gären. Für eine lebendige Partnerschaft ist das Ringen um eine gute Streitkultur unverzichtbar.
Ich musste lernen, Profil zu bewahren statt um des „lieben Friedens“ willen den Konflikt zu meiden. Mein Harmoniebedürfnis, mein Wunsch nach Zustimmung und meine Verlustangst standen mir dabei im Weg. Aber authentisches Leben schließt die Bereitschaft zum Konflikt ein. Ich musste lernen, mich nicht zu sehr anzugleichen, mich nicht reflexartig bei Entscheidungen zurück zu stellen, sondern Farbe zu bekennen, für meine Bedürfnisse Verantwortung zu übernehmen.
Safe Place
Schön, wenn Ehe ein sicherer Platz auf dieser Welt ist. Bonhoeffer hat gesagt: „Nicht eure Liebe trägt die Ehe, sondern von nun an trägt die Ehe eure Liebe.“ Das heißt, ich vermittle meinem Partner das Recht, sich darauf zu berufen, dass ich mich für immer auf ihn festgelegt habe. Ich unterstelle ihm immer Gutes. Ich rede vor anderen gut über ihn. Ich hinterfrage bei Konflikten nicht das Fundament der Beziehung. So wohltuend..
Mut zum Karriereknick
Aktives Ehe- und Familienleben und ehrgeizige, zeitintensive Karriereleiter passen schwer zusammen. Wir haben in unserer Hauptaufbauphase den Schwerpunkt auf Ehe und Familie gelegt und beruflich bewusst kleine Brötchen gebacken. Mein Mann nahm zu dieser Zeit Aufstiegsmöglichkeiten nur sehr zurückhaltend wahr und gab bei Entscheidungen immer Ehe und Familie den Vorrang. In der Zeit als wir drei kleine bis mittlere Kinder hatten, war er ab dem späten Nachmittag präsent und belastbar. Beruflich hat es ihm im Nachhinein nicht geschadet, mir hat es den Freiraum verschafft, meiner eigenen Berufung nachzuspüren.
Gemeinsamkeit
Sucht nach den Fixpunkten, an denen sich eure zwei Geraden überschneiden. Die baut aus. Was macht euch gemeinsam Spaß, worüber freut ihr euch beide, wonach sehnt ihr euch ganz praktisch, was sind eure Lebensträume?
Für uns war das z.B. für zehn Jahre ein Wohnwagen. Damit haben wir eine Form für unsere alte Reiseleidenschaft gefunden, die mit den Kindern gut vereinbar war. Urlaub bekam wieder eine Schlüsselfunktion in unserer Lebensgestaltung. Mit dem Wohnwagen konnten wir mehrmals im Jahr für einige Wochen dem Alltag entfliehen, uns wieder entspannt erleben außerhalb von Routine und Zeitdruck. Gerade in diesen Auszeiten haben wir gelernt, uns auseinandersetzen, uns neu aufeinander abzustimmen. Hier, im Abstand von Alltag und Beziehungen, begann oft etwas spannendes Neues in unserer Lebensplanung. Wir haben nicht aufgehört, nach unseren Träumen zu fragen und nach Möglichkeiten, diese zu verwirklichen.
Glaube
Neben all dem, was wir mittlerweile lohnenswerter Weise gelernt haben an Streitkultur, Kommunikation, Wissen übereinander und über Beziehung, haben wir ohne Ende profitiert von dem Fundament, auf das wir unsere Ehe gebaut haben – ohne Jesus wären wir heute vielleicht nicht mehr zusammen.