Ausschnitte aus Bianka Bleiers Tagebuch
Feuchte Tage, Herbsttage. Was für den Grundwasserspiegel gut sein mag, bekommt meiner Seele weniger. Mit Unbehagen sehe ich, wie schnell die Tage kürzer werden. Morgens stehe ich schwerer auf in den dunklen Tag. Dafür liebe ich abends umso mehr mein kuscheliges Bett.
Unser Leben spielt sich wieder vermehrt innen ab. Daran muss ich mich erst wieder gewöhnen. Rückzug. Welch ein Anker, zu wissen, dass in einigen Monaten wieder alles von vorne beginnt. Die Sommerpflanzen ziehen sich zurück, Herbstblumen erzeugen eine neue Atmosphäre. Erdiger, gedämpfter. Eigentlich ist September ein schöner Monat. So schön wie Mai. Nur wehmütiger.
Ich mag es nicht, wenn Oktober ist. Obwohl es mild und sonnig ist wie an einem schönen Frühlingstag, schöner sogar, weil alles so grün ist ringsum, fühlt es sich subjektiv völlig anders an – nicht aufbrechend, sondern auslaufend. Schmuddeltage, an denen wir schon den Ofen anmachen müssen, wechseln mit milden goldenen Oktobertagen, an denen wir wiederholt „zum vielleicht letzten Mal“ draußen zu Abend essen. Heute ist so ein Sonnentag. Noch einmal trocknet die Wäsche im Wind, noch einmal pflücke ich – die allerletzten – gelben Blumen auf der Wiese. Noch einmal sitzen wir vor der Eisdiele auf dem Gehweg. Noch einmal kaufe ich – ziemlich unreife schon – Tomaten. Der Schein der Sonne trügt, es wird schneller kühler als ich mir vorstellen kann, es sind Herbstastern, die nun blühen, keine Sommerblumen. Nachts wird es kalt. Ein kurzer vergänglicher Tageszauber.
Nach einem langen Tag sinke ich ins Bett und denke noch: Herr, was für ein Tag! Wie man so stückweise vorwärts kommt, dies und jenes regelt neben der Bewältigung des ganz normalen Alltags. Alles geht so langsam. Und du, Herr, warst in allem dabei? Wie wir so lebten in unserem Netzwerk von Beziehungen, den mehr oder weniger gelingenden?