Fromme Hausfrau - Artikel von Bianka - Joyce - Beiträge aus Joyce Journal - Leichten Sinnes durch das Leben 



Ich gebe ein Kochbuch heraus mit Rezepten der frommen Hausfrauen. Nicht dass ich das allein täte, ich tue es Seite an Seite mit Ulrike. Es würde nichts werden mit dem Kochbuch ohne ihre bodenständige, fleißige, gewissenhafte Mitarbeit. Geduldig hilft sie mir auf die Sprünge, ergänzt dies und das, erklärt und korrigiert. Ulrike hat den Blick fürs Wesentliche und die Liebe zum Detail, Tugenden, die mir nicht in die Wiege gelegt wurden und nach denen ich mich vergeblich ausstrecke.

Was hat Gott stattdessen für mich vorgesehen? Ich glaube es zu wissen. Ich bin die Erfinderin des Leichtsinnsfehlers! Wenn es etwas zu übersehen gibt, ist es an mir, es zu übersehen. Ich war diejenige angehende Bibliothekarin, die mit der Schreibmaschine unter ihre mühsam fehlerfrei getippte Bewerbungen Mit freundlichen Größen" geschrieben hat. Und das nicht ein- oder zweimal, nein ich war in der Lage, diese Leichtigkeit des Sinnes bis zur Perfektion durchzuexerzieren. Ich konnte mich zwanzigmal eine ganze Bewerbung hindurch konzentrieren, um trotz bester Vorsätze mit freundlichen Größen zu enden… Vielleicht war es ja ein freudscher Verschreiber. Vielleicht bin ich zwar die Erfinderin des Leichtsinnsfehlers, aber mit freundlicher Größe …

Ich bin diejenige von neun Buchladenmitarbeiterinnen, die im Gegensatz zu den übrigen acht Frauen nicht in der Lage ist, eine Lieferung auszupacken und einzuarbeiten, ohne auch nur einmal keinen Fehler zu fabrizieren. Und es sind nicht die komplizierten Verwaltungsaufgaben, die mir misslingen, es sind die einfachen. Frau versucht meinem Defizit mit Hinweiszettelchen an PC, Ordnern und Schubladen zu begegnen. Dabei werde ich mit meiner zweiten Teilleistungsstörung konfrontiert: Ich übersehe konsequent schriftliche Nachrichten auf Zetteln. Ich bin die Frau die vor lauter Wald keine Bäume sieht. Mich kann man unmöglich allein auf die Menschheit loslassen. Ich bin angewiesen auf Menschen, die mitdenken.

Als junge Frau strickte ich kilometerlange Pullischläuche, weil es mir zu lästig war, die gewissenhafte Strickkunst des Abnehmens zu lernen. Hoch motiviert kaufte ich Stoff, Nähmuster und Zubehör, nur um zwei Vorder- und zwei Hinterseiten einer Hose zusammen zu nähen, so dass ich ein sehr schmales und ein sehr weites Hosenbein erhielt. Um anschließend Stoff und Zubehör in den Müll zu werfen.

Ich bin die Urlaubsorganisatorin, die sich mit Sorgfalt und sämtlichen Hilfsmitteln wie Internet, Wiedervorlagemappe, Zeitplanbuch, Memozetteln und Erinnerungsmails bemüht, alles bestens vorzubereiten und die dann an der Rezeption erfährt, dass dieser Campingplatz zu diesem Zeitpunkt leider nicht diese Campingchecks annimmt, die diese Frau in scheinbar so weiser Voraussicht gekauft hat…

Irgendwie fühle ich mich unselbständig und unvollständig. Ergänzungsbedürftig. Zum Glück stellt mir das Leben immer wieder Menschen wie Ulrike zur Seite, die geduldig meine Tücken ausgleichen und mir eine gewisse Daseinsberechtigung geben.

Seltsamerweise finde ich bei Wikipedia überhaupt keinen Eintrag unter Leichtsinn. Dafür im Allgemeinen Handwörterbuch der philosophischen Wissenschaften von 1829:
Wer einen leichten Sinn hat, wird nur nicht so stark von den Gegenständen gereizt oder aufgeregt, dass sie einen allzutiefen Eindruck machen könnten. Er setzt sich daher auch leicht über Unannehmlichkeiten und Beleidigungen weg, vergibt und vergisst bald, und ist ebendarum meist heiter oder guter Laune. Der Leichtsinnige aber beachtet alles so wenig, dass er häufig anstößt oder wohl gar seine Pflichten vernachlässigt. Er handelt daher auch unbesonnen … Menschen von sanguinischem Temperamente fallen gewöhnlich in diesen Fehler."

Vermutlich sind die Grenzen fließend…

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