Fromme Hausfrau - Artikel von Bianka - Joyce - Beiträge aus Joyce Journal - Journal - Wer bin ich 



Für die neue Verlagsvorschau soll ich eine aktuelle Vita schreiben. Ich schlage nach, was Vita heißt: Lebenslauf. Ich hole meine bisherige Vita hervor. Sie ist wirklich verstaubt. Das Leben hat kräftig darüber hinweg gefegt. Zur Orientierung sind zwei Beispielviten beigelegt:
Dr. X hat Psychologie und Theologie studiert und über Thema Y promoviert. Er ist mit vielen Themen in der Erwachsenenbildung tätig und berät Menschen …
X, gelernte Anglistin arbeitet freiberuflich als … Mit ihren fünf Kindern lebt sie in … Nebenbei ist die Autorin vieler Bücher auch bekannt als …

Wer bin ich? Mühsam suche ich nach diesem Schema biographische Eckdaten zusammen, die irgendwie repräsentativ sein könnten. Am Schwersten fällt mir die familiäre Passage. „Wohnt mit ihrer Familie …" – das stimmt so nicht mehr. „Wohnt mit ihrem Mann und dem kläglichen Rest ihrer Kinder …" klingt nach Mutter Courage, der man gerade das Liebste entrissen hat. Den Beruf der Bibliothekarin, den ich so begeistert erlernt hatte und der in meinen Ohren immer noch repräsentativ klingt, habe ich ein halbes Jahr lang ausgeübt, danach bin ich in die „Familienfrauphase" gerutscht. Später hat die anfangs ehrenamtliche Arbeit in der Buchhandlung der Gemeinde begonnen. Dann das Schreiben. Wer bin ich? Wer bin ich für die anderen? Wer bin ich vor Gott?
Was sagen solche Daten aus über einen Menschen? Helfen sie, sich ein Bild von ihm zu machen? Ein flüchtiges vielleicht, ein Bild seiner scheinbaren Kompetenzen, aber was hat es mit der Frau zu tun, die dahinter steht? Zum ersten Mal entscheide ich mich, meinen Mann und meine Kinder nicht mehr zu erwähnen. Name, Alter, Tätigkeiten, abgeschlossene Projekte. Fühlt sich rudimentär und traurig an. Willkommen im Kreis der älteren Kollegen, bei denen ich dieselbe Tatsache feststelle. Wer erwachsene Kinder hat, erwähnt sie nicht mehr. Ich darf mich nicht mehr über meine Schätze definieren. Ich möchte mich nicht über meine Leistungen definieren. Wer bin ich??

Anna hat von sich aus früh begonnen, mich bei meinem Vornamen anzusprechen. Binga-an-gaa... Es hat sich bezaubernd angehört und ich ließ sie gewähren, fühlte mich eher gemeint als bei „Mama", was immer mit der Rolle der Mutter verbunden war. Lena hat es von Anna übernommen und Mama Wan-g-a gerufen. Das war eine berührende Kombination, irgendwie stimmig. Jan konnte meinen Namen lange Zeit nicht aussprechen und so kam ich doch noch in den Genuss der Big-Mama … Was ist mein Selbstbild? Ich bin Bianka. Ich übe: „Angenehm, dich kennen zu lernen!" Dazu habe ich ein Leben lang Zeit. Smiley

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