Interview mit Bianka Bleier bei ERF Online
ERF Online: Frau Bleier, schreibt Ihr Mann Tagebuch?
Bianka Bleier: Nö (lacht).
ERF Online: Ist Tagebuchschreiben also etwas typisch Weibliches?
Bianka Bleier: Ich möchte das nicht denken, aber vielleicht ist das so. Die Männer, von denen ich persönlich weiß, dass sie Tagebuch schreiben, kann ich an einer Hand abzählen. Wenn es allerdings darum geht, projektartig, also in Umbruchsituationen zu schreiben, das erlebe ich eher mal bei Männern.
Sinn und Ziel des Tagebuch-Schreibens für Persönlichkeit und Glauben
ERF Online: Durch Ihre Bücher, wie beispielsweise „Die 100 wichtigsten Fragen zum Leben“, motivieren Sie Ihre Leser, selbst zum Autoren zu werden und Anekdoten, Lebensziele und Erfahrungen aufzuschreiben. Was bringt es Ihrer Meinung nach, sein Leben schriftlich festzuhalten?
Bianka Bleier: Dafür gibt es viele Gründe. Mein erstes Motiv zum Schreiben ist schlicht und einfach die Sehnsucht, Schönes festzuhalten aus Angst, es zu vergessen. Tagebuchschreiben vermittelt mir das Gefühl, dass wertvolle Lebenszeit nicht ganz verloren geht. Das schriftliche Formulieren hilft mir zudem, mit meinem Leben besser zurechtzukommen. Es schafft Klarheit in meinem Gefühlschaos, und Ordnung in meiner Seele.
Ich schreibe aber nicht nur, um Schönes festzuhalten, sondern auch um Hässliches loszuwerden. Mit dem Tagebuch habe ich einen wundervollen Platz, wo ich Dampf ablassen und Abstand gewinnen kann. Besonders hilft mir das in Auseinandersetzungen mit meinem Mann: Mir ist nach dem Schreiben klarer, was geschehen ist, was mich verletzt hat, was mein Anteil an dem Streit war, was ich mir von meinem Mann wünsche oder auch von mir, wo ich nachfragen oder noch einmal zuhören muss.
Tagebuchschreiben hat außerdem noch eine ganz praktische Seite: Wenn das Leben viele Möglichkeiten hat und es mir schwer fällt, mich zu entscheiden, hilft mir das schriftliche Sortieren nach pro und contra. In meinem Tagebuch kommt es immer wieder vor, dass ich Entscheidungen festmache, Pläne schmiede, Ziele festlege. Das sind dann richtig geschichtsträchtige Momente.
ERF Online: Tagebuch-Schreiben wird in der Psychologie auch als Therapie-Form angesehen. Sie sind selbst auch durch schwierige Zeiten gegangen. Hat Ihnen das Schreiben in dieser Zeit geholfen?
Bianka Bleier: Ich weiß nicht, wie ich solche Krisenzeiten ohne das Schreiben überleben würde. Das sind Zeiten, in denen mein Tagebuch die ganze Zeit aufgeschlagen in meiner Nähe liegt und ich alle Gedanken aus mir herausschreibe. Das ist ein reinigender Prozess. Oft bin ich im Nachhinein beim Zurücklesen überrascht, was da alles hochkommt und in mir ist.
ERF Online: Sie schauen also auch manchmal zurück und lesen Ihre Tagebücher noch einmal. Was macht das mit Ihnen?
Bianka Bleier: Wer Tagebuch schreibt, lebt zweimal. Hin und wieder habe ich mich auf die Reise gemacht, zurück zu den Anfängen. Als ich 30 Jahre alt geworden bin, habe ich alle meine Tagebücher gelesen, wochenlang. Als ich 40 geworden bin, wieder. Das ist schon eine unglaubliche Erfahrung, so im Zeitraffer die Stationen des Lebens ein zweites Mal zu durchleben. Dadurch habe ich meine Geschichte besser verstanden, mein Eingebundensein in meine Kindheit, mein Heranwachsen und Erwachsensein, meine Suche nach dem Sinn des Lebens – und Gottes Handeln darin. Das ist schon sehr glaubensstärkend.
ERF Online: Heißt das, das Schreiben hat positive Auswirkungen auf ihren Glauben?
Bianka Bleier: Ja. Tagebuch schreiben macht mich aufmerksamer auf Gottes Handeln in meinem Leben und hilft mir, sein Wesen besser kennen zu lernen. Es macht mich dankbar. Gerade wenn ich mir die Zeit gönne, hin und wieder rückwärts zu lesen, erlebe ich bewusster, wie Gott mein Leben lenkt, Gebete beantwortet. Sonst würde das in Vergessenheit geraden. Das macht Mut für Wüstenzeiten und stärkt mein Vertrauen zu Gott.
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ERF Online: Menschen sind so unterschiedlich. Da ist nicht jeder der Typ für die klassische Tagebuchform. Gibt es andere Möglichkeiten, das Erlebte zu dokumentieren?
Bianka Bleier: Ich selbst zelebriere das Papiertagebuch. Experimentiere, werde kreativ. Meine Tagebücher sind kunterbunt. Ich klebe oft Erinnerungsstücke ein: Fotos, Eintrittskarten, die Haftnotiz meines Sohnes am Schrank oder den handschriftlichen Kaufvertrag unseres Pferdes. Es gibt aber auch noch andere Möglichkeiten: Zum Beispiel kann man ein Familientagebuch führen, man kann projektweise schreiben oder sein Tagebuch am PC führen, E-Mails und digitale Fotos direkt einfügen. Meine Bücher, wie unter anderem „Mein Jahr 2012“, „Die 100 wichtigsten Fragen zum Leben“ oder „Unser Familienbuch“ können dabei eine Hilfe sein.
ERF Online: Was raten Sie den Menschen, die gerne Tagebuch schreiben würde, aber der Meinung sind: Ich kann nicht schreiben?
Bianka Bleier: Jeder hat etwas zu schreiben! Jeder ist originell, wenn er die Wahrheit spricht und die eigene Meinung sagt. Deshalb würde ich denjenigen sagen: Hört auf die leise Stimme in eurem Innern und versucht nicht, es eurem Deutschlehrer von vor zwanzig Jahren Recht zu machen! Es muss kein Meisterwerk produziert werden. Ihr müsst niemandem – nicht einmal Gott – imponieren! Nur Ehrlichkeit ist eine Voraussetzung, die für ein Tagebuch wirklich wichtig ist.
Es gibt außerdem keine richtige oder falsche Art, ein Tagebuch zu führen. Viele meiner Tagebucheinträge sind einfach nur eine Reaktion, ein Suchen, ein Gefühl, ein Fragen, ein Stammeln, eine Erinnerung oder ein Gebet. Viele meiner Einträge wären nie geeignet veröffentlicht zu werden und sind mir peinlich beim Lesen.
Aber manchmal schenkt Gott einen neuen Einblick, der wirklich weiterhilft. Hätte ich nicht die Gewohnheit, regelmäßig zu schreiben und unzensiert zu sammeln, würde ich die kleinen Erleuchtungen verpassen. Und die finden sich bei jedem von uns!
ERF Online: Vielen Dank für das Gespräch!