Fromme Hausfrau - Interviews mit Bianka 



"Ich möchte die schönen Momente des Lebens festhalten."

Kategorie: FHF Interviews

Von: Ethos Portrait 2009

Von außen wirkt alles ganz unscheinbar: eine apricotfarbene Hauswand dicht am Bürgersteig mit blau gestrichenem hölzernen Tor. Doch dahinter die Oase: Ein lauschiger Garten mit Hängematte, Laubenbank, zwei Essecken. Hühner gurren, die Katze streckt sich, Hundemischling Nando beschnuppert die Besucherin. Eine Steintreppe führt hoch ins Wohnhaus. Hier ist sie also: die bunte, lebendige Welt der Bianka Bleier, mit der so viele tausend Frauen hoffen, bangen und lachen, wenn sie über ihren Alltag lesen. „Stinknormale Hausfrau“ nennt sich Bianka Bleier − doch so stinknormal ist sie nicht. Sie schreibt seit sie 13 Jahre alt ist Tagebuch – und das in so spannender, unterhaltsamer Form, mit so viel emotionaler Tiefe und Gedankenschärfe, dass inzwischen vier Tagebücher veröffentlicht sind.

Hat sie vorher viel geändert oder ausformuliert oder schreibt sie tatsächlich so ausführlich? „Das sind meine Original-Tagebuch-Einträge, ich habe aber einiges raus gekürzt, sonst wären die Bücher zu lang geworden“, erzählt Bianka Bleier am Massivholz-Esstisch in ihrem Wohnzimmer, das mit dem alten Ofen, dem dunkelroten Ledersofa und den Holzdielen tatsächlich so gemütlich ist, wie in den Texten beschrieben. 

„Mein Drang alles aufzuschreiben, hat damit zu tun, dass ich so Struktur und Ordnung in mein Leben bringen kann.“ In einem Vorwort der Bücher schreibt sie: „Aus einem mir nicht rational erklärbaren Grund ist es mir ein Bedürfnis, anderen Einblick in mein Leben als

(Ehe-) Frau, Mutter und Christ zu geben.“ Und davon profitieren zig tausende begeisterte Leser, oder Leserinnen sollte man besser sagen, denn wie Bianka Bleier ihr Leben mit den drei Kindern Anna, Lena, Jan und ihre Ehe mit Werner beschreibt, interessiert vor allem Frauen. Was ihren Stil so anziehend macht, ist ihre Offenheit und Ehrlichkeit. Sie vermag Allgemeinheiten des täglichen Lebens wunderbar auf den Punkt zu bringen und hat die Gabe, den Alltag mit Humor zu beschreiben. Auch dunkle Tage mit Ehestreit, Tränen, Krankheit oder Glaubens-Zweifeln haben ihren Platz. Die Leserinnen fühlen sich mit ihren eigenen Problemen verstanden. Bianka weiß das aus den Zuschriften: „Sie schreiben mir oft: ,du bist wie ich‘, was mich ermutigt hat, weitere Tagebücher zu veröffentlichen. Ich habe gemerkt, dass es hilfreich sein kann, sich transparent zu machen.“

Autoren-Ausbildung oder woher kommt die Stilsicherheit? Nicht direkt, aber ihr gelernter Beruf Bibliothekarin ist der Schriftstellerei immerhin nahe. Seit Bianka lesen kann, hat sie regelrecht Bibliotheken verschlungen. „In der Krypta der katholischen Kirche unseres Dorfes gab es eine kleine Bücherei. Ich habe mich von links oben Buch für Buch nach rechts unten  durchgelesen.“

Die heute 47-Jährige ist mit ihren Eltern, ihrem Bruder und ihrer Großmutter in dem kleinen badischen Dorf Forst aufgewachsen, wo sie auch jetzt noch lebt. „Es war eine behütete Kindheit mit viel Zeit zum Spielen“, erinnert sie sich. Ihre Großmutter nahm sie regelmäßig mit in die katholische Kirche. „Als wir jedoch zu Abiturzeiten die Themen Evolution und atheistische Philosophen durchnahmen, verlor ich meinen Kindheitsglauben.“ Während ihrer Ausbildungszeit in Stuttgart machte sie sich neu auf die Suche nach dem schmerzlich vermissten Sinn des Lebens. „Der Austausch mit Anthroposophen weckte neu meine Sehnsucht nach einem Gott, der mich liebt und einen Plan für mein Leben hat.“

Letzten Endes waren es Biankas katholischer Großcousin und ihre katholische Tante, die ihr  während einer gemeinsamen Romreise zum Glauben an Jesus verhalfen: „Ich sah, was für einen Frieden sie hatten und begann das Neue Testament zu lesen. Zunächst konnte ich das alles nicht so einfach annehmen, meine Tante riet mir deshalb zu beten: ,Herr, ich glaube, hilf meinem Unglauben‘.“ Bianka folgte diesem Rat. „Als ich am nächsten Morgen in Rom aufwachte, hatte ich eine große Klarheit und Ruhe in mir. Auf einmal wusste ich, dass alles, was in der Bibel steht, wahr ist.“ Umso mehr Schwierigkeiten hatte sie, einige Lehren der katholischen Kirche in Einklang mit der Bibel zu bringen. Über eine Straßenevangelisation traf sie auf eine evangelische Freikirche – dort geht sie heute immer noch hin.

In dieser Kirchengemeinde war es auch, dass sie das erste Mal für die Gemeindezeitung über ihren Alltag schrieb. Andere entdeckten ihr Talent, und das war der Beginn ihrer Schreibkarriere. Neben den Tagebüchern veröffentlicht Bianka Bleier regelmäßig Artikel  in den Zeitschriften „Joyce“ und „Family“, gibt Bildbände wie „Das Leben feiern“,  verschiedene Kalender und  das Kalendertagebuch „Mein Jahr“ heraus. „Ich liebe Fotos, und ich habe schon immer Sprüche gesammelt“, erklärt sie. „Es fasziniert mich, wenn in wenigen Worten eine tiefe Wahrheit zusammengefasst wird. In den Bildbänden kann ich all meine Vorlieben vereinen − Schreiben, Sprüche, ausdrucksstarke Bilder.“

Sie sind eine Augenweide, die Fotos, die Bianka aus Bildagenturen liebevoll zusammensucht − ein gedeckter Tisch am Meeresstrand, eine Bank in einem verwunschenen Garten – Szenen, die Biankas Sehnsüchte widerspiegeln. „Ich liebe das Meer und stilvolle Mahlzeiten im Freien.“

Großer Beliebtheit bei den Leserinnen erfreut sich auch das Haushalts-Survival-Buch „Besser einfach – einfach besser“, Ergebnis von Biankas Versuch, ohne viel Zeitaufwand, Ordnung und Struktur in den Haushalt zu bekommen. „Haushalt soll bei mir nicht zu viel Lebenszeit einnehmen“, sagt sie. Und weil Hausfrauen sich untereinander oft so wertvolle Tipps geben können, startete ihr Verlag, R. Brockhaus, vor neun Jahren die „Fromme-Hausfrauen-Seite“ im Internet (www.frommehausfrau.de). Bianka beantwortet dort Fragen zu ihren Büchern, Frauen tauschen sich in Foren über Kochrezepte, Hobbies, Glaubens- und Lebensfragen aus. Außerdem arbeitet Bianka zwei halbe Tage ehrenamtlich im nahe gelegenen christlichen Buchladen, wo sie passenderweise Karten, Kalender und Bildbände betreut.

Sie genießt die gewachsenen Freiräume, seit die Kinder selbstständig sind. Wenn morgens alle aus dem Haus sind, trinkt sie eine Tasse dampfenden Kakao, liest in der Bibel, schreibt Tagebuch, geht mit Hund Nando um den Waldsee. Da kommen ihr dann oft die besten Ideen. „Ich habe immer Zettel und Stift dabei, um Inspirationen zu notieren.“ Danach setzt sie sich an den Schreibtisch in ihrem kleinen Arbeitszimmer, wo sie im Regal die Tagebücher seit Kindheitstagen aufbewahrt. Im Frühjahr hat sie hier ihren neuesten  Bildband „JahresZeiten“ fertiggestellt – und nimmt seitdem Frühling, Sommer, Herbst und Winter noch bewusster wahr.

Aktuell sucht sie Einträge für ihr fünftes Tagebuch zusammen, das den Schwerpunkt auf die Ablösungsphase von den Kindern legt, ein Thema, das sie schon seit Jahren beschäftigt. „Ich habe die intensive Familienzeit sehr genossen. Jetzt ist es Zeit, loszulassen.“ Rückblickend ist sie stolz auf die Entwicklung ihrer Kinder, die zu eigenständigen, lebensfrohen, gläubigen Persönlichkeiten herangewachsen sind. Anna, inzwischen 23 Jahre alt, ist Krankenschwester und reist gerade mit ihrem Mann ein Jahr durch Australien, Lena, 21, macht ein soziales Jahr und will Sonderschulpädagogik studieren. Jan, 18, bereitet sich auf den Hauptschulabschluss vor. „Das hätten wir früher nie gedacht“, freut sich Bianka − denn Jan ist behindert. Er hat das Kabuki-Syndrom, ist schwerhörig und sprachbehindert. In ihrem zweiten Tagebuch „Tonnenschwer und federleicht“ beschreibt Bianka den Alltag mit dem kleinen Jan, die unzähligen Arztbesuche, Operationen, Therapiestunden, die Mühe, eine geeignete Schule zu finden, die bange Frage, wie behindert Jan ist und ob er Anschluss im normalen Leben finden wird,  . „Man muss ihn sich ein wenig wie den kleinen Prinzen von Saint Exupéry vorstellen – so arglos.“

Auch die anderen Tagebücher haben einen Schwerpunkt. In „40 werden immer nur die anderen“, beschreibt sie ihre zwiespältigen Gefühle angesichts der zweiten Lebenshälfte, ihre Angst vor dem Altern. Vergänglichkeit ist ein Thema, das sie Zeit ihres Lebens beschäftigt. Auch das ist ein Grund, warum sie alles aufschreibt. „Ein wesentlicher Grund, warum ich gern Tagebuch schreibe ist, dass ich so gern lebe.

Seit ich denken kann leide ich darunter, wie mir die Zeit unter den Händen zerrinnt.

Ich glaube mein erstes Motiv zum Schreiben war und ist einfach die Sehnsucht, Schönes festzuhalten. Tagebuchschreiben vermittelt das Gefühl, dass wertvolle Lebenszeit nicht ganz verloren geht, dass sie ein Stückweit der Vergänglichkeit entronnen ist. Dann habe ich das Gefühl, ich kann die Zeit, die schönen Momente festhalten und später beim Lesen noch einmal durchleben. Ich verstehe dann die Zusammenhänge in meinem Leben besser. Schreiben ist lindernd und klärend, mir wird viel bewusst.“

Das Thema Vergänglichkeit holte sie besonders ein, als sie vor sechs Jahren Schilddrüsenkrebs bekam, was sie im vierten Tagebuch beschreibt. Sie ist wieder gesund, doch zwei ihrer engsten Freunde sind an Krebs gestorben, und Bianka ist sich stets bewusst, wie zerbrechlich das Glück ist. „Ich beschäftige mich gerade viel mit der Ewigkeit, für mich öffnet sich der Fokus auf den Himmel.“ Der Gedanke an Ewigkeit bei Gott tröstet sie in schweren Zeiten. „Je älter ich werde, desto weniger begreife ich das Phänomen von Zeit und Vergänglichkeit.“  Deshalb kostet sie jeden Augenblick bewusst aus. Das schriftliche Formulieren hilft ihr, mit dem Leben besser zurecht zu kommen. Es schafft Klarheit in ihren Gefühlen, Ordnung in ihrer Seele, in ihren Gedanken.

„Das Schreiben regt innere Prozesse an, die mir helfen, alltägliche Impulse und Erlebnisse einzuordnen und zu bearbeiten. Es ist Arbeit der Seele.“

Neben der melancholischen Seite, gibt es die lebensfrohe, spontane, optimistische Seite, die sagt: „Wir haben einen fröhlichen Gott“, die Sätze schreibt wie „Hier auf der Gartenbank im Schatten sitzen, Hühner gurren und den Wind im Windspiel zu hören, die warme Luft auf meiner Haust zu spüren, den Sommer zu riechen…“

Ihre momentane Lebenssituation sieht sie als Umbruchphase, eine Zeit, um sich neu auszurichten. Rückblickend ist sie dankbar über erfüllte Lebensträume − eine gute Ehe, ein enges Verhältnis zu den Kindern, einen schönen Beruf. Doch sie denkt schon wieder weiter:  „Werner und ich träumen davon, eine Lebensgemeinschaft mit Behinderten aufbauen.“ Außerdem möchte sie Freizeiten für Frauen in der Lebensmitte und für Mütter mit behinderten Kindern anbieten.

Das Leben bewusst und gut zu gestalten – das ist Bianka ein Anliegen. „Man hat hier nur so eine begrenzte Zeit.“ Gott und die Familie stehen an erster Stelle. Auch Zeit für Freundschaften ist ihr wichtig. Ihre Freizeit verbringt sie am liebsten draußen. Bianka fährt gern Rad, geht gern schwimmen. Regelmäßiges sommerliches Highlight ist der Urlaub an der holländischen Nordsee. Bis vor kurzem ist sie auch geritten. „Doch das eigene Pferd ließ zu wenig Zeit für die Familie übrig.“ Statt als Pferdekoppel dient der eigene Acker nun wieder als Anbaufläche für Zucchini, Tomaten und Kartoffeln. Bianka fährt oft abends mit Ehemann Werner zu diesem Stück Land, das früher ihrer Großmutter gehörte. „Da ist der Horizont so weit, überall sieht man den Himmel. Da fühl ich mich Gott ganz nah.“