Fromme Hausfrau - Artikel von Bianka - Family - Beiträge aus BBs Notizen 

Zeit-Wandel

Kategorie: FHF BBs Notizen

Von: family 03/07

Seit wie vielen Jahren lebe ich in diesem kleinen Häuschen mit diesem Mann und diesen drei Kindern? Jeden Morgen um 6.13 Uhr klingelt der Wecker. Das tut er, seit ich denken kann, auch wenn es heute kein aufziehbarer Wecker mehr ist, sondern ein Funkwecker. Ich wecke Jan, wie seit Jahr und Tag. Noch immer muss ich ihm seine Kleidung richten, noch immer seine Zähne putzen, noch immer wird er mit einem Bus abgeholt, auf dem ein Rollstuhl abgebildet ist, aber seine Hosen sind am Ende der Kinderkonfektionsgrößen angelangt und er wird nicht mehr in den Kindergarten gefahren, sondern in die Schule. Wie jeden Morgen hole ich die Zeitung als Service für die Frühstücker herein, richte ich Müslis und Schulbrote. Allerdings nicht mehr für Anna, die versorgt sich selbst, wenn sie zur Früh- oder Spätschicht fährt, anstatt wie noch vor kurzem mit dem Fahrrädchen zum Kindergarten zu radeln.
Wie immer hole ich Tagebuch und Bibel, während Werner die Zeitung liest. “Komm noch einmal her, ich will dich drücken“, an seine raue Wange schmiegen, Gänsehaut bekommen, wenn er mit seinen großen Händen über meinen Rücken fährt, sein Blick fällt auf die Uhr. „Ich muss gehen.“ Wie immer. Ich liebe ihn seit ewigen Zeiten.
Wie immer frühstücke ich, nachdem alle anderen das Haus verlassen haben, nur schlucke ich jetzt eine Viertelstunde vorher eine kleine Tablette, die dafür sorgt, dass ich leben darf. Kleine Normabweichung …
Mein Blick fällt auf den Kalender, welche Rahmenbedingungen, welche Termine bestimmen heute meinen Zeitplan? Wie seit Jahr und Tag Aufgaben nach Prioritäten sortieren, sehnsüchtig nach Freiräumen schielend, immer noch winselt ein Hund wartend im Flur, auch wenn er heute Nando und nicht mehr Charly heißt. Wie jeden Morgen der Versuch, den Hund möglichst lange zu vertrösten, heißen Kakao schlürfen, nachspüren, wie er seinen Weg in den Magen findet, ein Biss in das herzhafte Vollkornbrot, der Lust auf ein zweites nicht nachgeben. Den zappeligen Hund rauswerfen, Zähne putzen, Augen-, Gesichtscreme und wetterfeste Kleidung anlegen, zum nahen Wald gehen. Aufgewacht und fit nach Hause kommen, Hühner, Hasen, Katze, Hund füttern, den PC anschalten. Wie lange schon ist Schreiben das, was ich eigentlich tun möchte … Zwischendrin eine Maschinenladung Wäsche versorgen, wie immer, oder? Nur dass die Wäschestücke immer größer werden. Die Frage was ich heute koche, wie oft schon habe ich sie mir gestellt? Heute mit der Variante „Für wen?“. Wer kommt überhaupt nach Hause, und wer vielleicht spontan als Gast? Ansonsten (wie immer und immer routinierter) Die ewiggleichen Pflichten erledigen, Anrufe entgegennehmen, Menschen erfreuen und enttäuschen. Begegnungen, nach denen Werner mich abends erwartungsvoll fragen wird, wie seit Jahr und Tag.
Plötzlich wird es dunkel sein und ich werde mich überrascht fragen: „So spät schon?“ Jan wird nach Hause kommen und - wie jeden Tag - fragen, was er Leckeres essen darf. Immer noch biete ich Hausaufgabenbetreuung an, wenn auch inzwischen für Jan. Das Geräusch, wenn Werner seinen Schlüssel ins Schloss steckt, das gemeinsame Abendessen, die Zubettbringzeit, wenn auch nicht mehr mit Anna und Lena. Die sind neuerdings noch wach, lange nachdem ich bereits erschöpft und ausgelastet, Augencreme noch einmal aufgetragen, im Bett mit den neuen orthopädischen Matratzen liege.
So oder ähnlich ist so oft mein Tagesgerüst. Und in der scheinbar belanglosen Aneinanderreihung eines Tages an den anderen wächst ein Flaum über Jans Oberlippe, bereitet sich Lena aufs Abitur und Anna auf den Auszug vor. Wenn Lena heute einen Ausflug plant, recherchiert sie im Internet über einen mehrmonatigen USA-Aufenthalt.
Jeden Morgen und jeden Abend Creme um meine Augen, doch meine Haut wird dünner. Täglich geschieht Verwandlung im Kleinen, ohne dass ich Änderung herbeisehne, geschieht sie in der Hektik des Lebens und in der alltäglichen Gleichförmigkeit, täglich zeitlupenartige Veränderung. Jeden Tag verliere ich an Spannkraft, nehme ich zu an Weisheit, übe ich mich in Demut und Dienen, Warten und Vertrauen, jeden Tag falle ich hin und stehe wieder auf, versage ich im Kleinen, gebe ich etwas von Gottes Liebe weiter, arbeitet Gott an meinem Charakter.
Die Gleichförmigkeit meiner Tage ist ein Phänomen. Fast beliebig kommen sie daher und geben meinem Leben einen scheinbar beständigen Rahmen.
Und doch liegt gerade in seiner Gleichförmigkeit die Vergänglichkeit. Inmitten dieser Illusion von Unendlichkeit geschehen die großen Veränderungen um mich und in mir - in all den kleinen Momenten, die scheinbar so unwandelbar daher kommen.
Jeden Tag nehme ich von Gott eine unwiederbringliche Zeiteinheit entgegen, gehe ich einen Schritt auf die unvorstellbare Ewigkeit zu. Große Herausforderung an meinen Realismus. Hoffnung inmitten all der Vergänglichkeit …
Die ganze Schöpfung wartet sehnsüchtig auf den Tag, an dem die Kinder Gottes vor aller Augen in dieser Herrlichkeit offenbar werden. Denn alles Geschaffene ist der Sinnlosigkeit ausgeliefert, versklavt an die Vergänglichkeit, und das nicht durch eigene Schuld, sondern weil Gott es so verfügt hat. Er gab aber seinen Geschöpfen die Hoffnung, dass auch sie eines Tages von der Versklavung an die Vergänglichkeit befreit werden und teilhaben an der unvergänglichen Herrlichkeit, die Gott seinen Kindern schenkt. Wir wissen, dass die ganze Schöpfung bis jetzt noch stöhnt und in Wehen liegt wie eine Frau bei der Geburt. Aber auch wir selbst, die doch schon als Anfang des neuen Lebens - gleichsam als Anzahlung - den Heiligen Geist bekommen haben, stöhnen ebenso in unserem Innern. Denn wir warten sehnsüchtig auf die volle Verwirklichung dessen, was Gott uns als seinen Kindern zugedacht hat: dass unser Leib von der Vergänglichkeit erlöst wird. Wir sind gerettet, aber noch ist alles Hoffnung. Eine Hoffnung, die sich schon sichtbar erfüllt hat, ist keine Hoffnung. Ich kann nicht erhoffen, was ich vor Augen habe. Wenn wir aber auf etwas hoffen, das wir noch nicht sehen können, dann heißt das, dass wir beharrlich danach Ausschau halten. Römer 8,19 ff. (GN)