Fromme Hausfrau - Artikel von Bianka - Family - Beiträge aus BBs Notizen 

Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne ...

Kategorie: FHF BBs Notizen

Von: family 02/07

Stufen

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern. 

Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben. 

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten. 

Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen. 

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegensenden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden...
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

Hermann Hesse

Ich gehe mit dem Hund um den See. Zum wievielten Mal eigentlich? Dann verstehe ich, wie die Redewendung „Wie aus heiterem Himmel“ entstanden sein muss: Als ich an dem windig blauen Wasser vorbei komme, macht eine Hirnwindung in mir Klick und verbindet mich mit einem längst vergangenen Moment: Der erste Tag in unserer ersten Wohnung in unserem gemeinsamen Leben. Neuanfang! Welch ein Zauber! Welches Neuland gab es zu entdecken! Welch ein Abenteuer! Auch Angst und Stress, ja. Aber Mut, Neugier und Motivation überwogen.
Neuanfänge – mir fallen viele weitere ein. Der Beginn meiner Beziehung mit Werner. War ich je glücklicher? Anna, unser erstes Kind. Der erste Tag mit ihr zu Hause, begleitet von Werners Brief, dem nie ein zweiter gleich kam. Der erste Tag mit Lena. Der so andere erste Tag mit Jan, als wir ihn endlich aus der Kinderklinik abholen durften. Der erste Tag im eigenen Haus. Jedem Anfang ging eine Entscheidung voraus. Mit jedem Neuanfang Türen die sich öffneten, Türen die sich schlossen. Erste Schultage – meine eigenen, kurze Zeit später die von Anna, Lena und Jan. Der erste Tag meiner Ausbildung in der Bibliothek. So viel Fremdes, so viel Verheißungsvolles.
Mein erster Artikel in einer Zeitschrift, mein erstes Buch, meine erste Lesung. Die Eröffnung der christlichen Buchhandlung, in der ich seither arbeite, die erste Nacht in dem Wohnwagen, in dem wir zehn Jahre lang auf Reise gingen …
Der erste Tag nach meiner Krebsoperation, Therapie, vorsichtige positive Prognose, der erste Tag daheim nach langem Krankenhausaufenthalt– neu geschenkter Anfang. Seither jeder Tag ein Neuanfang …
Jeder Neuanfang birgt in sich bereits das Ende. Charly, unser erster Hund, die erste Nacht neben ihm auf der Liege. Zehn Jahre später: Der Kreis schließt sich, als ich seine letzte Nacht auf einer Liege neben ihm verbringe. Für einen weiteren Neuanfang brauchen wir Kraft, Mut und Entschlossenheit. Charlys Nachfolger Nando - Anna hält den Welpen auf der Heimfahrt in ihrem Schoß wie eine selige Wöchnerin – einen neuen Aufbruch miteinander teilen ist ein starkes, verbindendes Erlebnis. Das erste Mal auf einem Pferderücken, der erste Ausritt in freier Wildbahn, der erste Galopp am Meer, Neuanfang mit dem eigenen Pferd …
Als ich heim komme, steht Anna im Morgenmantel in der Küche. Gleich wird sie gehen, Spätschicht. Noch ein Augenblick mit ihr. Ich massiere ihren Rücken. Wie klein er einmal war. Immer noch hält sie vertrauensvoll hin, immer noch mag sie es sehr, von mir verwöhnt zu werden. Bald wird sie ganz aus meinem Leben gehen. Neuanfang, erster Tag in der eigenen Wohnung …
Abschiedlich leben … Als Anna geht, bin ich allein. Zeiten von denen ich früher nur träumen konnte. Ich genieße es, setze mich an den Schreibtisch und fange an zu schreiben.
Mittags ich in der Buchhandlung. Ein junges Paar mit einem zehn Monate alten Mädchen sucht eine schöne CD, mit der das Mäuschen ins Leben tanzen lernen kann. Ich lege die zwanzig Jahre alte CD von Margret Birkenfeld auf, mit der meine kleine Anna tanzen lernte. Als „Ein kleines wildes Schäfchen“ erklingt, bekomme ich feuchte Augen – Annas Einschlaflied… Ich sehe sie vor mir, wie sie zaghaft zu laufen beginnt, ganz früh, mit zehn Monaten. Heute läuft sie durch die Korridore ihres Ausbildungskrankenhauses. Das Mäuschen vor mir ähnelt Anna auf bezaubernde Weise. Wehmütig sehe ich auf die Anfänge, die diese Familie noch leben darf.
Vor sieben Jahren haben zwei Leute unseren Hauskreis ins Leben gerufen. Bald waren wir vier Ehepaare aus demselben Ort und ich besuchte zum ersten Mal im Leben mit meinem Mann zusammen einen Hauskreis. Ich war fasziniert, überrascht, begeistert. Sieben Jahre lang sind wir mit diesen Menschen durch Höhen und Tiefen gegangen, haben Durststrecken überwunden, miteinander gelacht und geweint. Als die Gemeinde durch schwere Krisen ging, war der Hauskreis unsere Überlebenszelle. Als meine Familie durch eine schwere Krise ging, hat der Hauskreis uns getragen. Was lebt zieht Leben an. Immer mehr Menschen haben sich uns angeschlossen. Die Zeit ist gekommen, dass wir uns teilen müssen. Alle haben ein lachendes und ein weinendes Auge, aber wir sind uns einig: Teilung ist kein Rückschritt. Ein Schritt ins Unbequeme, vielleicht. Aber Teilung bringt auch neues Leben in die Gruppe, die durch ihre Homogenität auch etwas unbeweglich geworden ist. Am Ende haben wir eine Lösung gefunden. Ich merke, wie Freude in mir aufsteigt, bin gespannt auf das Neue. Meistens profitiere ich von Veränderungen, liegt im Wandel eine Chance. Ich glaube, dass wir im Geiste nicht alt werden, solange wir dem Zauber des Anfangs Raum und Gestalt geben.
Gott der Vater des Anfangs macht jeden Tag einen Neuanfang mit mir. Er liebt Neuanfänge. Nie lagen Ende und Anfang näher beisammen als in Jesu Tod und Auferstehung. Damit hat Gott uns wieder die Perspektive geschenkt, die zu Beginn der Menschheitsgeschichte bestand. Das Chaos wird wieder erhellt. Mit jeder Geburt eines Menschen macht Gott einen aufregenden, neuen Anfang, voller Pioniergeist, Neugier, Vorfreude, Überzeugung, Liebe.
Er bereitet uns Werke, in denen wir wandeln können, immer wieder aufs Neue. Wenn wir in seinem Sinne unser Land erweitern wollen, schenkt er uns Mut, Hoffnung, Zuversicht und Beistand.
Und wenn wir uns von ihm entfernt haben, wartet er auf uns, geht er uns nach, rennt er uns entgegen, um den Neuanfang zu proklamieren. Er wird es nicht satt, mit mir neu zu beginnen, wenn ich ihn darum bitte.
Gottes Lieblings-Neuanfang heißt Umkehr, Vergebung, Versöhnung. Nach außen hin vielleicht unspektakulär, hat gerade dieser Neuanfang ein Riesenpotential für Veränderung. 

Siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr's denn nicht? - Jesaja 43,19a