Fromme Hausfrau - Artikel von Bianka - Family - Beiträge aus BBs Notizen 

Der badische Krankenhaussegen

Kategorie: FHF BBs Notizen

Von: family 01/07

Ich bin mit Jan in der Uniklinik, um abklären zu lassen, ob sein Hormonspiegel stimmt. Jan ist ziemlich klein für sein Alter und die Pubertät hat noch nicht eingesetzt. Tapfer warten wir anderthalb Stunden in der Warteschleife. Mein Geduldsfaden reißt zuerst. Ich gehe zu der Klinikkönigin hinter der Glasscheibe und flüstere drohend: „Mir ist langweilig!!“
Wenn ich gewusst hätte, was auf uns zukommt, hätte ich mich gern noch geduldet. Dr. Hadschiselihamovidsch erklärt uns in gebrochenem Deutsch, dass eine Hormontherapie bei Jan ebenso unumgänglich wie schon fast zu spät sei. Jan soll stationär aufgenommen werden für einige klärende Tests. Das Wort „stationär“ ruft heftige allergische Reaktionen sowohl in mir als auch in Jan hervor, diesbezüglich verbindet mich eine fünfzehnjährige Geschichte mit meinem entwicklungsverzögerten kleinen Prinzen. Jan drückt die aufsteigenden Tränen weg. Jungs dürfen weinen, aber dass er es jetzt nicht tut, ist so männlich. Und um seine Männlichkeit geht es ja.
Es folgt ohne Vorwarnung eine ziemlich entwürdigende Untersuchung. Mein Herz zieht sich zusammen, als ich sehe, wie wenig einfühlsam der eigentlich sympathische Arzt Jan behandelt. Ich erlebe wieder, wie falsch Jan oft eingeschätzt wird, dem es schwer fällt, sich auszudrücken und Blickkontakt zu halten. Die meisten Leute denken dann, dass gar nichts in ihm ist, was er ausdrücken könnte.
Situationsstark lässt sich Jan bereits in der Cafeteria mit Wurstsalat und Cola trösten, während ich selbst noch knabbere an der Aussicht, Jan ein Jahr lang täglich eine Hormonspritze geben zu müssen in der vagen Hoffnung auf ein paar Zentimeter Wachstum. Ich bin wirklich stolz auf ihn.
Später bringe ich Jan ins Bett und bitte Jesus, im Krankenhaus alles vorzubereiten, Jan mutig und stark zu machen und uns freundliche Menschen zu schicken, die gut mit Jans dünnen Venen umgehen können. Es ist schwierig, bei Jan Blut zu holen, früher war es der reine Alptraum.  Als ich meine Zähne putze, höre ich Jan zum ersten Mal allein und laut beten. Er legt Jesus seine ganze Angst hin, die er mir nicht gestanden hat. Dann stellt er sich dem Unvermeidlichen. Ich bin gerührt über seinen Glauben, sein Vertrauen, seine Tapferkeit.
Ich maile einer Freundin, die Jan ins Herz geschlossen hat, dass Jan die nächsten Tage oft gepiekst und infusioniert wird, dass das sein großer Schrecken ist und bitte sie, mit dafür zu beten, dass er tapfer sein kann und die Ärzte seine Venen gut finden.
Morgens kurz vor der Autobahnauffahrt kommt mir die Idee, noch einmal umzudrehen und das altbewährte Zauberpflaster zu suchen. Als ich ihm das Betäubungspflaster aufklebe, sehe ich mit Schrecken, dass die Haltbarkeit längst überschritten ist. Der Arzt kommt erst nach einer Stunde, um die Braunüle zu legen und ich befürchte dass der Wirkstoff nicht mehr wirkt - falls er es je getan hat. Zwanzig Minuten lang kämpft der Oberarzt darum, eine Vene zu finden. Ich bin dankbar, dass es kein Berufsanfänger macht. Die stehen die ganze Zeit über in dreifacher Ausfertigung an Jans Bettende. Sie unterhalten sich mit ihm über Fußball und lenken ihn auf die liebenswerteste Weise ab. Drei Engel in langen weißen Kitteln. Jan liegt ganz entspannt da. Immer wenn die Angst kommen will, fragt ihn ein Fußballengel weiter aus über Fußball, Jans Lebensthema. Ich sehe Jan, der tapfer hinhält, den Oberarzt, der sich nicht aus der Ruhe bringen lässt, und endlich sitzt die Nadel in Jans Vene. Sie können Infusionen durchlaufen lassen, Medikamente reinspritzen und halbstündlich Blut holen, ohne Jan jedes Mal zu quälen.
Als sie gehen, sagt Jan: „Die waren aber nett! Das hat Gott aber gut gemacht mit denen!“
Gott ist da, das merkt sogar Jan. Was heißt eigentlich „sogar“ – welch überhebliche Haltung. Noch bevor ich an Gott denke, kapiert Jan, dass er unser Gebet erhört hat.
Wieder freue ich mich an dem was da in Jan ist.
Und ich denke dankbar seufzend: Ja!
Abends finde ich eine Mail von meiner Freundin.
„... es soll Jan nichts mangeln. Mögen seine Hormone sich mehren, möge er behutsame Menschen um sich haben in der Klinik, Menschen, die seine schöne Seele sehen und die mit ihm über Fußball reden können. Möge er ruhen in Gottes Geborgenheit, möge Gott sein klopfendes Herz vor den Herren in Weiß besänftigen und langsamer schlagen lassen. Möge Gott dein trauriges Herz immer wieder getrost machen in der Gewissheit, dass Jans Weg immer ein besonderer, gesegneter Weg bleiben wird. Möge Gott, der Lebendige schon warten an der Krankenhaustür, dabei sein in allen Untersuchungen, in allen Pieksereien, in allem Würdelosen, dem möge Gott seinen Glanz verleihen. Der Herr sei bei Euch in allen Überlegungen, in allen Diagnosegesprächen, in aller Unsicherheit. Er, der sagt: „Fürchte dich nicht, ich bin schon längst da, wo eure Gedanken noch nicht einmal hinreichen. Da warte ich schon, am Ende des Weges!“ … Ich kann es nicht fassen, dass sie dafür gebetet hat, dass sich die Ärzte mit Jan über Fußball unterhalten sollen …
Am nächsten Tag ist die Nadel entgegen aller Befürchtungen immer noch durchlässig. Die Tests sind belastend, aber Jan schafft sie. Der Arzt macht uns Hoffnung, dass Jan auch ohne Therapie bestimmt 1,70 m groß wird.
Ich bin sicher, dass Gott, der unser Vater ist, auch stolz und gerührt ist wegen uns. Er freut sich über jedes hoffnungsvolles Vertrauen, jeden kleinen Glauben, unsere ängstlichen Geständnisse, unsere Tapferkeit im Unvermeidlichen und er liebt es, wenn wir vor ihm für unsere Geschwister einstehen. 

Gott segnet die, die erkennen, dass sie ihn brauchen, denn ihnen wird das Himmelreich geschenkt.
Mt 5,13; Neues Leben Bibel