Fromme Hausfrau - Artikel von Bianka - Family - Beiträge aus BBs Notizen 

Wenn der Glaube wankt - in der Schwachheit der anderen wird meine Glaubenskraft mächtig

Kategorie: FHF BBs Notizen

Von: family 03/05

Zweiter Weihnachtsfeiertag. Bei den ersten Meldungen über eine noch ungewisse Anzahl von Menschen, die bei einer Überschwemmung in Asien ertrunken sind, reagiere ich verstimmt: Muss ich über jeden Unglücksfall dieser Welt informiert werden? Was bringt mir das? Was macht das mit mir?
Es folgen stündliche Korrekturen von Zahlen, deren Dimension mich innerlich verstummen lässt. Weihnachten liegt hinter mir. Obwohl ich es vermeide, im Fernsehen Bilder über das Seebeben anzusehen, tauchen sie in meinem Inneren auf. Ich schiebe sie zur Seite, weil unerträglich. In den nächsten Tagen dreht sich überall das Gespräch um Menschen, die unermessliches Leid erleben.

Erst an Silvester, als ich ein kleines gut gemeintes privates Gebet zum Himmel schicken will, spüre ich meine lähmenden Gebetszweifel. Jan möchte zum ersten Mal ohne uns Silvester feiern: mit dem Jugendkreis der Gemeinde. Ich mache mir ein wenig Gedanken, ob er den Abend gut über die Runden bringen wird und möchte ihn Gott anbefehlen. Habe ich doch gelernt, dass Gott auch das Alltägliche unseres Lebens interessiert.
Da merke ich dass ich gar nicht glauben kann, dass Gott sich für Jans seelische Befindlichkeit interessieren könnte. Erstens: Was ist eine Silvesterfeier auf Gottes Prioritätenliste angesichts der Flutkatastrophe? Zweitens: Wie viele Mütter mögen in den Augenblicken und Stunden des Grauens zu Gott geschrien haben, dass er sie und ihre Kinder rette – und sind dennoch zu Schaden gekommen? Gott mag Wichtigeres zu tun haben als dafür zu sorgen, dass Jan allein zurecht kommt – an Silvester, in einer christlichen Gemeinde, in einem behüteten Wohlstandsland. Resigniert merke ich dass ich nicht mehr vertraue beim Beten. Mein verzagtes Gebet lautet ungefähr so: "Herr: Jan."
Das ist der Moment, wo ich Angst bekomme, dass mein Glaube mir wegrutscht. Ich weiß dass Gott mir fremd wird, wenn ich nicht mehr bete, nicht mehr seine Nähe suche. Dass ich Angst vor ihm bekomme und Angst vor dem Leben. In diesem Zustand bin ich kein Licht mehr für Jesus, kann ich anderen nicht mehr weiter helfen auf der Suche nach dem Sinn.

Da lerne ich Anke kennen. Anke ist eine Glaubensfrau, denn sie geht sichtbare Schritte ins Ungewisse im Vertrauen darauf, dass Gott sie führt. Anke scheint zu denen zu gehören, die einen besonderen Zugang zu Gott haben, andere mit ihrem Zeugnis ermutigen und deren Vertrauen immer wieder bestätigt wird. Anke ist mir – so empfinde ich - was Glaube betrifft, Meilen voraus.
Ich entschließe mich zu Ehrlichkeit, und auch Anke öffnet ihr Herz. Seit sie erlebt hat, wie ein Kind aus ihrem nahen Umfeld misshandelt und ermordet wurde, wächst in ihr die furchterregende Erkenntnis, dass sie Jesus nicht mehr spürt. Beide können wir das Leid Unschuldiger nicht einordnen, bringen unsere guten Erfahrungen mit Gott nicht zusammen mit dem, was um uns Leidvolles geschieht.
Ankes Angst gibt mir die Erlaubnis, dass auch ich mich fürchten darf, dass der Glaube mir wegrutscht. Zu sehen wie sie festhält, trotzt, hofft, weiter tappt im Dunkel, stärkt meinen Glauben gerade.

Später erzählt mir Helga aus meiner Gemeinde, dass sie jeden Morgen mit leeren Händen vor Gott steht. Dass ihr Glaube immer nur für einen Tag reicht. Alle Morgen neu muss sie ihn sich schenken lassen. Ich denke: Wie die Israeliten das Manna. Und bin getröstet. "Eigentlich" weiß ich auch, dass Gott treu ist, aber ich bin wie das Volk Israel, das immer wieder meutert, murrt, vom Glauben abfällt.
Das Bekenntnis der beiden Frauen ist wie eine große Erlaubnis für mich, hungrig und bedürftig sein zu dürfen. Glaube als täglich Brot. Ihre vermeintliche Schwachheit macht mir nachhaltig Mut.

Abends sitze ich neben Birgit. Aus ihrer Bibel fällt ein Zettel, den sie mir überlässt. Darauf steht:

    Luthers Anhängsel
    Mir ist es bisher wegen angeborener Bosheit und Schwachheit unmöglich gewesen, den Forderungen Gottes zu genügen. Wenn ich nicht glauben darf, dass Gott mir um Christi willen dies täglich beweinte Zurückbleiben vergebe, so ist’s aus mit mir. Ich muss verzweifeln. Aber das lass ich bleiben. Wie Judas an den Baum mich hängen, das tu ich nicht. Ich hänge mich lieber an den Hals oder Fuß Christi wie die Sünderin. Ob ich auch noch schlechter bin als diese, ich halte meinen Herrn fest. Dann spricht er zum Vater: „Dieses Anhängsel muss auch durch. Es hat zwar nichts gehalten und alle deine Gebote übertreten, Vater, aber er hängt sich an mich. Was will’s! Ich starb auch für ihn. Lass ihn durch schlupfen.“ Das soll mein Glaube sein.

Wie oft muss uns ein kleiner Hinweis in der Bibel genügen, bleibt unsere Neugier, unsere Sehnsucht, zu verstehen, unbefriedigt. Glaube bleibt oft der Schritt ins Ungewisse, in den Nebel, in die Nacht des Zweifels, im Vertrauen, dass dort einer ist, der hält. Glaube bleibt eine Haltung, die ich mir immer wieder neu schenken lassen muss.
Jan ging es gut auf der Silvesterfeier. Ob das etwas mit meinem kleinen schwachen Gebet zu tun hatte?