Fromme Hausfrau - Artikel von Bianka - Family - Beiträge aus BBs Notizen 

Die Liebe bleibt

Kategorie: FHF BBs Notizen

 

Unsere Familie geht durch eine schwere Zeit. Im Advent stirbt überraschend mein Schwiegervater. Am Tag der Beerdigung stirbt ohne Vorwarnung meine Mutter. Ein Bann ist gebrochen. Das Unvorstellbare geschieht einfach. Der Tod meines Schwiegervaters trifft mich sehr. Dass meine Mutter einfach geht, ist noch einmal eine andere Dimension. Ein Lebensabschnitt geht zu Ende.

Versäumtes bleibt nun unabänderlich versäumt. Gelungenes Leben wird zum Schatz der Erinnerung. Meine Mutter hinterlässt eine klaffende Lücke und ein Vermächtnis. In ihrer Abwesenheit und dem Schlussstrich ihres Lebens bildet sich ihre Person in einer nie gekannten Klarheit heraus.

Die Familie rückt zusammen. Überhaupt drehen sich viele Gedanken um Familie, Vater- und Mutterschaft. Mir kommt es vor, als gehe es die Kernzeit meines Lebens darum, unsere Kinder ins Leben hinein- und unsere Eltern heraus zu begleiten. Und dann? Stehen wir am Ende allein da? Was bleibt?

Lena sitzt an meinem Bett und fragt: „Was soll das Ganze? Was hat Gott mit uns hier vor? Was sollen wir hier eigentlich? Sollen wir uns bewähren? Uns den Himmel verdienen? Wir haben doch schon seine Hand ergriffen, warum müssen wir uns hier noch abplagen? Und so viele Jahre? Warum all das Leid, die Krankheiten und das Sterben? Warum fühlt sich Leben so belanglos an im Alltag und so ungeheuerlich, wenn es endet?“ Die Fragen des kleinen Mädchens von damals haben sich verändert, vertieft. Ich habe keine Worte.

Was bleibt?

Das Vermächtnis unserer Eltern bleibt. Unsere erwachsen werdenden Kinder. Wir erleben, dass wir auf sie zählen können, wie auch sie uns mittragen. Wie auch sie unser Vermächtnis in sich tragen. Die Gemeinschaft der Geschwister. Unterstützung und Gebet von vielen Seiten.

Und Gott. Und Gott.

Er meldet sich in dieser dichten Lebenssituation, zuverlässig, Ehrfurcht erregend. Immer wieder spüre ich, wie hauchdünn die Trennwand zwischen Zeit und Ewigkeit, zwischen Diesseits und Jenseits ist.

In einer Trauerkarte sagt er mir zu, dass er vollenden wird, was unterm Strich geblieben ist,  mit seiner Liebe. Meine Schuldgefühle verschwinden.

Mit meinen Töchtern besuche ich meine Mutter ein letztes Mal an ihrem Sarg. Wir nehmen Abschied. Vier Frauen, drei Generationen, eine hat die dünne Linie schon überschritten, ist vorausgegangen. Spürbar zieht der Friede in uns ein, den nur Jesus geben kann.

Ich schluchze: Wer wird mir nun Splitterkuchen backen? Nachmittags besucht mich meine Cousine mit meinen heiß geliebten Kuchen. Erneutes Schluchzen, dieses Mal berührt von Gottes Mütterlichkeit.

Ein Vers aus der Bibel kommt mir in den Sinn. „Ich will euch trösten, wie eine Mutter einen tröstet.“ Wo das wohl steht? Ja, so war meine Mutter, tröstlich von Anfang bis Ende. Was für ein Verlust. Was für ein Gewinn. Wie will Gott das ersetzen. Ein Briefkasten voller Trauerpost. Viele handbeschriebene Umschläge, eine winzige Hoffnung: Vater, wenn irgendwo hier drin dieser Vers stünde… Ich greife eine Karte heraus. Gott, wenn hier dieser Vers steht, dann wüsste ich, dass du dabei bist…  Ich bekomme viele wundervolle Briefe voll Trost und Zuspruch. Auf einer einzigen Karte Gottes Zuspruch: „Ich will euch trösten, wie eine Mutter einen tröstet.“ In dieser.

Ich weine, überfordert mit meinem völlig überforderten Vater: Ach Mutti, wenn du uns doch wenigstens eine Gebrauchsanweisung für deinen Mann mitgegeben hättest!

An diesem Tag beginne ich, das Buch zu lesen, das sie geschrieben hat: Das Buch heißt „Erzähl mir dein Leben“ von Martin Gundlach, ein Fragebuch an Omas und Opas. Ich hatte es ihr besorgt und sie hat es ausgefüllt, Zeile um Zeile, einen langen Winter lang, wie eine Erstklässlerin ihre Hausaufgaben. Ich amüsierte mich über ihren Eifer, lachte, wenn sie sagte: „Was der heute wieder wissen wollte!“ und freute mich für ihre Enkel wenn sie das eines fernen Tages lesen würden. Jetzt ist es ein kostbarer Schatz. Ich schlage es wahllos auf, landete auf der Doppelseite: „Was ich an meinem Partner schätze, was mich an ihm nervt.“ Es ist die Gebrauchsanweisung …

Meine Mutter ist weit weg gegangen. Aber innerhalb kurzer Zeit sind mein Vater und ich uns so nah gerückt wie die letzten Jahrzehnte nicht mehr.

Auf der Beerdigung sagt Anna zu Lena: „Oma sitzt jetzt im Himmel auf einem quietschroten Sofa, links von ihr ihre Mama, die sie so vermisst hat, rechts von ihr Jesus, und beide kommen nicht los von ihr, weil sie sie unentwegt knuddelt und küsst!“ Wir lachen unter Tränen.  

Die Liebe bleibt…