Fromme Hausfrau - Artikel von Bianka - Family - Beiträge aus BBs Notizen 

Verachte die klein scheinende Kraft nicht

Kategorie: FHF BBs Notizen

Von: 6/2009

Vor mir liegt eine für meine Verhältnisse große Radtour mit einer Gruppe sportlicher Leute aus der Gemeinde. 200 km in drei Tagen ... Wie es so meine Natur ist, fange ich schon einmal an, mich zu ängstigen. Meine Kniearthrose könnte es mir übel nehmen … Der Wetterbericht kündigt unerfreulichstes Wetter für den Starttag an. Am liebsten würde ich absagen. In der ersten Nacht werden wir in einem Naturfreundehaus nächtigen, Matratzenlager. Mein Rücken hat sich noch nicht vom letzten Hexenschuss erholt. Ich werde das schwächste Glied der Gruppe sein. Ich bete zaghaft. Gehe davon aus, dass Gott Wichtigeres zu tun hat als meine Radtour komfortabel zu gestalten.  

Einige Tage später. Ich habe es geschafft! Gegen meine Angst vor Unwetter, Schlaflosigkeit, Rücken- und Knieschmerzen! Ich bin geradelt und geradelt, täglich siebzig Kilometer, durch Regen, Wind und Sonne, fränkisches und oberpfälzer Land, Grün Grün Grün. Als wir losfahren wollten, hat es endzeitmäßig geschüttet, wir hatten alle echt keine Lust mehr und versteckten uns eingeschüchtert in den Autos. Jemand betete. Ich zweifelte. Dann kippte ein Schalter um, und das war es dann mit Regen, trotz vorhergesagter achtzig Prozent Regenwahrscheinlichkeit. Windstärke fünf, ja, aber von der Seite, das war gut auszuhalten. Am Himmel Wolkenberge, aber Blau dazwischen. Eine Gruppe Menschen, die immer mehr zusammen gewachsen ist über die Tage. Zusammenhalt, Solidarität und Leichtigkeit. Ich lernte für „Steigung“ neue Redewendungen kennen, z.B. „Die Gegend erhebt sich leicht“ oder „Es geht flussabwärts“. Gespräche mit jedem auf zwanglose Art. Erstaunlich viele punktgenaue Landungen, z.B. das rechtzeitige Erreichen eines traumhaften Thermalbads am ersten Abend zum Abschluss. Welche Wohltat, im Dampfbad die müden Knochen zu wärmen! Danach reichte die Kraft wieder für den elendig steilen Anstieg zum Naturfreundehaus mit schlichtem Matratzenlager, sehr schlichtem Essen. Für meine sensible Natur gab es ein Matratzenlager ganz für mich allein, wo sich Prinzessin auf der Erbse mit mehreren Decken gemütlich auspolstern konnte. Das Wetter von Tag zu Tag schöner. Und dann das Ziel: Regensburg. In Regensburg war alles vollkommen. Eine grüne Stadt mit Flüssen, Brücken, Parks und faszinierender Architektur. Kaiserwetter: kristallklare Luft, perfekte Temperatur, Sonne die nicht blendete, sondern alles verschönerte. Was für ein Geschenk! 

Auf der Heimfahrt lief alles bestens. Trotz meiner Befürchtungen und zweimal umsteigen mit 16 Fahrrädern, viel Gepäck und wenig Zeit. Ich bin nirgends vergessen worden, meine Taschen gingen nicht verloren, mein Rad wurde nicht gestohlen, ich habe jeden Anschlusszug erwischt. Mein Rücken hat durchgehalten, meine Knie und meine Kraft auch. Alles an mir hat durchgehalten. Ich konnte (wie alle anderen) mehr schlecht als recht aber immerhin in fremden harten Betten schlafen. Ich konnte mein Gepäck schleppen, mein Rad täglich 70 km nach vorne bewegen. Auch wenn „nach vorne“ öfter „nach oben“ bedeutete. Auch wenn ich meinen Po mit meinem mitgebrachten Kopfkissen polsterte. Ich platzte schier vor Stolz und Dankbarkeit. Alles war viel schöner und besser als ich befürchtet oder mir vorgestellt hatte. Völlig umsonst die unnötigen Sorgen.   

Im Nachhinein wurde die Radtour für mich eine Analogie zum Unterwegssein im Leben und der Ankunft im Himmel. Gemeinsam mit anderen und ausgerüstet mit meiner kleinen Kraft bin ich Pilger auf einer weiten, anstrengenden Reise. Unterwegs sein: Leben, lernen, lieben, freuen. Kämpfen, streiten, sich bewähren, Disziplin üben. Einander helfen, sich zurücknehmen, Gemeinschaft genießen, Solidarität zeigen. Die Freude an Gott wach halten. Die Vorfreude auf den Himmel. Und vielleicht wird ja auch noch manches im Leben überraschend gut, viel besser als befürchtet. Vielleicht aufgrund eines kleinen ungläubigen Gebetes …

Ich vertraue weiter und ängstige mich weiter, bin weiter dankbar und verwirrt … 

Verachte die kleinscheinende Kraft nicht; der Regentropfen, der von der Rinne fällt, durchlöchert den Felsen. 
Johann Heinrich Pestalozzi
Quelle: Tempus 7.7.09