Fromme Hausfrau - Artikel von Bianka - Family - Beiträge aus BBs Notizen 

Aber nicht doch!

Kategorie: FHF BBs Notizen

Von: family 03/04

Was sagt eine Deutsche, wenn sie hört, ihr Kleid sei schön? "Och, der uralte Fetzen! Der war mal vor Jahren runtergesetzt bei Cesario & Antonio, spottbillig."
Was sagt eine Französin, wenn man ihr sagt, ihr Kleid sei schön? "Oh! Merci!"
Was sage also ich, als meine Schwiegermutter meint: „Hast du ein schönes Kleid an!“
Ich sage: „Darin hat mich heute jemand für schwanger gehalten. Das Kleid hat mir neulich eine Nachbarin abgetreten. Ich kam nur noch nicht dazu, es auszuziehen ...“ Das kommt spontan und von Herzen.
Als ich zur Buchladenbesprechung komme, erfahre ich, dass wir heute fotografiert werden für die Seite im Internet. Na super, und ich trage Sachen an aus der Schrankecke Alt-aber-geht-noch-für-daheim. "Na und", sagen die anderen, "ist doch hübsch." „Quatsch“, sage ich, „das habe ich von meiner Nachbarin geerbt. Und weil sie mir einige solcher Noch-Zu-gut-für-den-Altkleidersack-Teile vermacht hat, habe ich keinen Grund, mir was wirklich Schönes zu kaufen.“ "Aber das ist doch wirklich schön", sagen die anderen. Ich aber fühle mich altbacken und lehne dankend ab.
Yvonne kommt. Sie ist ausgesprochen hübsch in ihrem Jeansrock und ihrer weißen legeren Bluse. Aber als ich ihr das sage, winkt sie ab: „Ach nein, das ist ganz zerknittert, ich hab es nicht mehr gebügelt. Leinen halt.“ Ich bleibe auf meinem Kompliment sitzen. Kein schönes Gefühl ...
Als der Gast bei uns zu Hause jubelt, hier sei es aber uuurgemütlich, erwidere ich, dass das halt noch das alte Sofa meiner Eltern ist, was wir da unter der auch schon älteren Decke verstecken. Dass wir renovieren müssten. Dass es ziemlich eng bei uns ist. Und sehe die ungeputzten Fenster, statt mich zu freuen darüber dass gast sich wohlfühlt.
Und als jemand sich darüber äußert, dass er meinen Schreibstil mag, entgegne ich: „Das ist nichts Besonderes, das kann jeder. Man muss einfach mitschreiben beim Denken ...“ Und spontan fallen mir zehn Frauen ein, die wirklich schreiben können.
Bei der Sitzung staune ich über Frauen, die messerscharf analysieren können und politisch auf dem Laufenden sind. Liegt vielleicht ein Irrtum vor, dass ich eingeladen wurde? Sie haben mich falsch beurteilt, zu viel in mir gesehen.
Ich kann kaum bestehen angesichts der Messlatte, die ich selbst anlege.
Kompliment-Entwertung - warum nehmen wir die Geschenke unserer Mitmenschen nicht an? Wir glauben ihnen keinen Pfifferling, überzeugt davon, dass unsere eigene Wahrnehmung um ein vielfaches neutraler und echter ist. Warum stellen wir freiwillig unser Licht unter den Schemel?
Ehrt uns hier Bescheidenheit, wie in Philipper 2,3 beschrieben: "Denkt von euch selbst gering und achtet den anderen mehr als euch selbst?" Oder ist es ein Versuch, die Ehre noch zu steigern, indem wir erst einmal abwinken und dadurch zum zweiten Anlauf des Komplimentemachers auffordern? So wie es in Sprüche 29,23 steht: "Wer hochmütig ist, wird schließlich erniedrigt werden; der Bescheidene dagegen wird geehrt." Hochmütig wollen wir auf keinen Fall wirken, aber so eine ängstliche Demut, die sich nur erniedrigt, um zu zeigen, wie demütig sie ist, wäre schlicht falsche Bescheidenheit.
„Demut“, so John Stott, "heißt nicht, sich zu verstellen und anders zu sein als wir sind, sondern anzuerkennen, was wir in Wirklichkeit sind.“ Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Wahre Demut befreit also bis hin zu der Gelassenheit, Rückmeldungen unserer lieben Mitmenschen erfreut zu akzeptieren, selbst wenn sie positiv sind ...
In der Bibel gibt es einen Menschen, dessen dankbare Selbstliebe so erstaunlich wie vorbildlich ist. Für Menschen wie mich sind seine arglosen Gedanken der Demut festgehalten: "Du hast mich geschaffen - meinen Körper und meine Seele, im Leib meiner Mutter hast du mich gebildet. Herr, ich danke dir dafür, dass du mich so wunderbar und einzigartig gemacht hast! Großartig ist alles, was du geschaffen hast - das erkenne ich! Schon als ich im Verborgenen Gestalt annahm, unsichtbar noch, kunstvoll gebildet im Leib meiner Mutter, da war ich dir dennoch nicht verborgen." (Ps 139)
Kann es also sein, dass für manche von uns dran ist, zu lernen, wie die Französin - und sei es mit errötenden Wangen - mit bescheidener Freude auf das Geschenk des Kompliments zu reagieren?