Fromme Hausfrau - Artikel von Bianka - Family - Beiträge aus BBs Notizen 

Bildergeschichten

Kategorie: FHF BBs Notizen

Von: family 06/07

Nach einem eher wilden Wochenende (Radtour mit Werner und Jan, sturmfreie Bude für unsere zwei Ältesten) entscheide ich mich heute für stressfreies Ankommen. Dies wird einer jener Tage sein, an denen ich meine Haare einmal nicht wasche, mir ein verblichenes Hängerkleid „für daheim herum“ überstülpe, schreibe, in der Hängematte liege oder telefoniere. Sprich, einfach nur ich selbst sein werde.
Gegen Abend, als ich Werner auf dem Nachhauseweg wähne, mache ich mich auf, mich oder das Haus auf Vordermann (Vorderfrau entspräche eher der Realität) zu bringen. Ich entscheide mich für das Haus. Hin und wieder im Leben darf frau sich auch einmal gehen lassen, muss sie nicht dem gefälligen Bild entsprechen, das sie gern von sich hat – das die anderen von ihr haben sollen. Manchmal beneide ich meine Großmutter um ihren immerwährenden Kittelschürzenlook, die unkomplizierten grauen Locken, ihre wohlig kräftigen Konturen und ungeschminkte Schönheit, die von innen kam.
Apropos grau - wenn ich das Haus so betrachte, erscheint Staubsaugen vermutlich am Dringendsten. Der Staubsaugerbeutel ist mal wieder übervoll. Um Kosten zu sparen, entnehme ich das pralle Teil, gehe zur Mülltonne in den Garten und beginne, mit spitzen Fingern fusselige, staubige Knäuel herauszuziehen. Vermutlich bin ich die Einzige im deutschsprachigen Raum, die sich das antut. Ob das etwas mit dem Bild zu tun hat, das ich von mir habe? Wenn Werner mich so sehen würde, würde er mich bestimmt wieder MacDagobert nennen ... Aber es muss ja nicht alles offenbar werden.
Genau in dem Moment, als ich eingehüllt bin in eine Wolke aus grauem Staub, öffnet Werner das Tor, tritt strahlend auf mich zu und sagt, ohne mit der Wimper zu zucken: „Hallo Bianka, darf ich dir meinen Arbeitskollegen vorstellen? Hr. X, das ist meine Frau!“.
Das kleine graue Hausweibchen, das sich schon immer gefreut hätte, Herrn X kennen zu lernen, steht da mit fettigen Haaren, einer Retro-Kittelschürze und wühlt im Müll… Da hilft nur noch die Flucht nach vorn. Mit hochrotem Kopf, günstigenfalls abgetönt durch einen Grauschleier, entscheide ich mich heute ein zweites Mal fürs Überleben. Ich hebe mein Kinn, reiche Herrn X die angestaubte Hand, sehe ihm in die Augen und schenke ihm ein argloses Lächeln. Danach bringe ich mit dem Rest an Würde die mir noch verblieben ist, meine seltsame Arbeit zu Ende, schreite an den Kollegen vorbei ins Haus und werfe mein Bild von mir als strahlende Gewinnerin des Lebens in den Müll …
Meine Freundin war heute in der Klinik, in der ihr verstorbener Mann gearbeitet hat. Als sie seine Station besuchte, war niemand mehr da, der ihn noch gekannt hätte. Sein Name sagte keinem mehr etwas und sein Bild hing nicht mehr an der Wand der Station, die er so geprägt und geliebt hat.
Wie ernüchternd! Kaum sind wir weg, wird unser Bild entfernt. Vielleicht leben wir noch eine Zeitlang in und durch die Erinnerung einiger Lieben weiter. Aber irgendwann – offensichtlich ziemlich bald – wird sich keiner mehr an uns erinnern. Schall und Rauch …
Ich kann die Traurigkeit meiner Freundin ein wenig nachvollziehen. Nicht vorhandene Fotos sprechen manchmal eine eigene Sprache. Heute kam per Post die Foto-CD von Jans Sommerlager an. Ich saß am Computer mit der freudigen Erwartung, viele schöne Janfotos zu sehen, damit ich etwas davon spüren konnte, was diese Woche für ihn bedeutet haben, wie es ihm ergangen sein mag. 1300 Fotos. Jan ist, wenn es hochkommt, viermal drauf. So gut wie nie. Ernüchterung meinerseits. Hat er überhaupt existiert für seine Mitmenschen? Wer war Jan in den Augen der anderen? Eine Weile halte ich das tapfer durch, aber dann spüre ich, wie die Tränen laufen. Das Bild das ich von Jan habe, wer kennt und schätzt es?
Alles vergeht. Aber das ist die eine Seite der Medaille. Aus Gottes Sicht, von der anderen Seite aus betrachtet, stehen unsere Namen im Buch des Lebens. Einer vergisst uns nie. Alles vergeht, aber wir bleiben.
Unser Bild wird verblassen. Aber dort, bei Gott - wer weiß, wie viele Bilder da von uns hängen, von unseren wirklich guten Momenten, als der Himmel applaudiert hat, von den Zeiten im stillen Kämmerlein, wo Gott über uns gelächelt hat, da, wo er die Kamera gezückt hat! Wer weiß, wenn wir heimkommen in unsere bleibende Statt, in die Wohnung, die Jesus uns bereitet hat, vielleicht empfängt uns ja eine ganze Galerie von Fotos an der himmlischen Leinwand. Schnappschüsse, Portraits, Fotoserien, Videos jede Menge, alles aufgezeichnet in Gottes unglaublichem Buch des Lebens!

So schuf Gott die Menschen nach seinem Bild, als Gottes Ebenbild schuf er sie und schuf sie als Mann und als Frau. 1. Mose 1,27 (GN)