Fromme Hausfrau - Artikel von Bianka - Family - Beiträge aus BBs Notizen 

Rollenspiele

Kategorie: FHF BBs Notizen

Von: family 06/08

Wir erleben unseren vermutlich letzten gemeinsamen Familienurlaub. Wir verstehen, dass das Beste, was wir nun unseren erwachsen werdenden Kindern noch geben können, das Freigeben ist. Dazu gehört auch, dass sie in Zukunft ihre eigene Form von Urlaub finden. 

Im Abstand zu unserem sich verändernden Alltag sehe ich auf mein Leben, überlege, was die nächste Etappe sein kann. Die Auseinandersetzungen mit Werner lassen nicht lange auf sich warten. Typisch Urlaub. Allerdings scheinen sie dieses Mal grundsätzlicher. Irgendwann merken wir, dass sie uns bekannt vorkommen, wenn auch wie aus einem anderen Leben. Bis Werner feststellt, dass wir uns in einer ähnlich gearteten Lebensphase befinden wie vor 22 Jahren – einer Zeit der Rollenfindung. Damals, als wir vom Paar zu Eltern wurden, ging es darum, unsere Rollen neu zu definieren. Das lief überhaupt nicht glatt ab. Nun schließt sich der Kreis und wir werden (hoffentlich) wieder ein Paar. Klassisch wie vermutlich in jedem „Kinder verlassen ihre Eltern“-Buch lasse ich kein Stadium des Prozesses aus. Nachdem ich in den letzten Monaten oft mit Abschiedsschmerz beschäftigt war, blitzen nun auch Momente der Dankbarkeit und Entlastung durch.

Am Strand erlebe ich Familien in allen Lebensphasen und ertappe mich oft auf einer Gedankenreise in unsere familiäre Vergangenheit. Ich denke an unsere eigenen schüchternen, unsicheren Anfänge als Eltern zurück und fühle mich jetzt doch ein bisschen wie eine „alte Häsin“. Was ist uns geblieben? 

Jede Familie entwickelt so etwas wie ein eigenes Wertesystem. Darin steckt eine Menge Arbeit. Für uns war und ist zum Beispiel „Kongruenz“ ein zentraler Wert. Sprich, wir versuchen, den Inhalt des Satzes „Wir meinen, was wir sagen. Und was wir sagen, ist die Wahrheit.“ im Alltag zu buchstabieren. Jeder soll wissen, woran er beim anderen ist.

Viele unserer Eltern haben es damit nicht so genau genommen. In den Aufbaujahren nach dem Krieg war auch mal Raffinesse angesagt. Eltern waren durch die Bank weg klar definierte Stammeshäuptlinge. Im Zweifelsfall wurden Konflikte gern zugunsten der unantastbaren Autorität der Stammesältesten entschieden. Da wurde auch mal geschummelt, geschwindelt, verheimlicht, Informationen vorenthalten.

Uns war wichtig, ein Klima zu schaffen, in dem jeder von klein auf die Wahrheit sagen kann. Heute können wir uns alle darauf verlassen: Was wir voneinander hören, ist stimmig. Das ist zu einem Grundwert unserer Familie geworden, von dem wir uns erhoffen, dass ein freundschaftliches Miteinander auch mit erwachsenen Kindern gelingen kann. 

Ein anderer Wert bei uns lautet: „Bei uns zu Hause darf jeder Fehler machen und dazu stehen. Es passiert ihm nichts.“ Auch sehr zu empfehlen, wenn man in ein Miteinander investieren möchte, das auf Vertrauen und Wachstum angelegt ist. 

Vorschusslorbeeren verteilen ist ebenfalls eine lohnenswerte Sache: Wir haben jahrelang das Naturgesetz der sich selbst erfüllenden Prophezeiung beobachten dürfen: Vertrauen, im voraus gesät, bringt wunderbare Früchte zutage und macht Kinder „witterungsbeständig“. Deshalb nennt Werner der Weise die Zeit, in der wir als Familie heute stehen, „Ernte einfahren“. 

Das erinnert mich an ein weiteres familieninternes Prinzip. Es hat so manche Situation vor dem Eskalieren bewahrt und geholfen, das Schiff zu wenden, wenn es auf ein Riff zuzusteuern schien. Ich habe oft nach einem gefälligeren Wort gesucht, aber keines gefunden. Siehe weiter unten…  

Erziehung ist ein Marathonlauf. Wenn ich etwas gelernt habe in all den Jahren mit unseren Kindern, dann ist mir diese Erfahrung am wichtigsten geworden: Vertrauen bewirkt Vertrauen. Vertrauen gegen allen Anschein und immer wieder neu öffnet Herzen, bahnt einen Weg, der gangbar ist und am Ende kommt Vertrauen zurück. Nicht als mathematische Gleichung, aber als himmlische. Wir haben uns, nachdem wir aus unseren Ecken gekrochen sind, in denen wir unsere Wunden geleckt haben, immer wieder für diesen Weg entschieden. Im Zweifelsfall für das Kind. Werner interpretierte noch viel öfter als ich scheinbar unangemessenes Verhalten eines Kindes lediglich als ein "Schrei nach Liebe". Das hat mir oft geholfen, neu barmherzig zu sein, mit den Augen der Liebe zu sehen und einzulenken. Wenn die Situation drastisch war, wurde Werners Wortwahl auch drastisch. Eigentlich ist dieser Satz nicht zum Weitergeben geeignet, aber zur Nachahmung: „Zuscheißen mit Liebe“ war das Kommando an die Bordzentrale, Milde walten zu lassen gegen jeden Impuls, mit Freundlichkeit zu reagieren gegen aufkeimen wollende Aggression. Nachzufragen, sich neu anbieten, Liebe zu versichern, wo scheinbar gar nicht danach gefragt wurde.

Ich stellte mir dann immer eine Taube auf dem Dach vor und mein Kind darunter ... und musste lachen ... es hat geholfen … Geholfen, mein Augenmerk wieder weg vom Konflikt hin zum Mensch zu richten und neu lieben zu können, ganz praktisch.

Im Laufe unserer gemeinsamen Jahre wuchs in uns die Zuversicht, dass die Saat schon aufgehen, dass Liebe schon ihren Weg finden wird.  

Ist es nicht ein göttliches Prinzip? Unaussprechlich wie dieses Wort ist Gottes Liebe. Von Anfang an und an jedem einzelnen Tag unseres Lebens überschüttet Gott uns mit seiner Liebe. Wenn wir bockig sind, eckig und kantig, eklig und widerspenstig, ungehorsam und abwegig, ungläubig und verängstigt, skeptisch und misstrauisch – immer ist Gottes Antwort Liebe, die er über uns ausgießt.  

Wir können nicht Gottes Liebe verlieren, wenn wir uns falsch verhalten. Wir haben gar nichts getan, um sie zu gewinnen. Wir machen Gott durch nichts soviel Ehre wie dadurch, dass wir fröhliche Menschen sind, weil wir wissen, dass er uns liebt. James Smith