Fromme Hausfrau - Artikel von Bianka - Family - Beiträge aus BBs Notizen 

Herz im Wald

Kategorie: FHF BBs Notizen

Von: family 04/08

Nach dem Frühstück schleppe ich guten Willens Bibel, Losungen, Bibellese und Tagebuch in die Küche. Aber heute macht mir der Stapel eher Mühe, erscheint mir die Bibel wie ein Buch mit sieben Siegeln. Ich weiß mich auch so in Gott geborgen, beseitige die Spuren des gestrigen Tages, lese meine Mails. Zwei Freundinnen erneuern dringende Gebetsanliegen für ihre sehr kranke Freunde. Es sieht nicht so aus, als ob Gott vorhat, ein Wunder zu tun. Wir bitten ihn mit vereinten Kräften schon länger darum. In der Gemeinde gibt es größere Schwierigkeiten verbunden mit größeren Gebetsanliegen. Per Mail noch einmal zur Erinnerung. An meinem Bildschirm hängt ein Zettel voller Anliegen, für die ich gern treu beten möchte.  

Es fällt mir nicht leicht, Gott immer wieder dieselben Bitten vorzubringen. Irgendwann möchte ich fühlen, dass er mich versteht und ernst nimmt. Mein Gebet wirkt eher gestresst: Gott, siehst du den Zettel??? Um all das solltest du dich kümmern, ich kann es nicht. Siehst du die Not?? 

Gestern bin ich auf einen Bibelvers gestoßen, der mich beunruhigt: „Meint ihr, Gott wird seine Kinder übersehen und ihnen ihr Recht versagen, wenn sie ihm Tag und Nacht keine Ruhe lassen?“ Lk 18,7 (HfA)  Bete ich nicht stürmisch genug?  Es ist schwierig, mit einem unsichtbaren Gegenüber zu reden. 

Der Hund jault. Ich habe ihn vergessen. Draußen stürmt und regnet es, ein Wetter, bei dem man eigentlich keinen Hund vor die Tür schickt. Aber in dem Fall ist es umgekehrt. Ich packe mich wasserdicht und atmungsaktiv ein. Im windgeschützten Wald geht es ganz gut. Die feuchte Luft ist köstlich. Auf dem durchweichten Waldboden geht man wie auf Moos. Nach wenigen Metern beginnt es in mir wie von selbst zu beten. Der Wald ist ein guter Ort zum Beten. Hier erwacht meine Sehnsucht nach Gott augenblicklich und diese Sehnsucht  scheint ihn ebenso augenblicklich zu aktivieren. Jedenfalls fließt hier, in der Ausschließlichkeit des Gehens, Reden und Hören mühelos ineinander.  

Bevor ich bete – oder ist das bereits Gebet? – muss ich Gott sagen, dass mir das Beten heute schwer fällt. „Du bist so unsichtbar, Gott. Ich konnte heute nicht in dem großen Buch lesen, weil zu viele Worte drin stehen. Du hast gesagt, wir sollen dir in den Ohren liegen, wenn uns was auf dem Herzen liegt. Ich weiß nicht, ob ich das richtig verstanden habe. Vielleicht liegt uns nicht dasselbe auf dem Herz? Ich bring dir so oft dies und jenes vor die Füße und weiß nicht, ob du dich darum wirklich kümmerst. Manchmal hat es nicht den Anschein. Vieles geht schief obwohl ich dafür bete.

Du hast gesagt, du bist unser Hirte und es wird uns nichts mangeln, aber es fühlt sich anders an, Vater. Eine Freundin leidet Höllenqualen unter ihrer Aidserkrankung und hat dich noch nicht gefunden. Okay, ich weiß nicht, was Höllen-Qualen sind. Sie leidet sehr, Gott. Hörst du? Ihr Leben erscheint mir wie ein einziger Mangel. Ja, es stimmt, der größte Mangel ist wirklich, dass sie all das auch noch allein durchstehen muss, ohne dich. Aber der Freund, der lebensbedrohlich an Krebs erkrankt ist, er kennt und liebt dich, und auch er muss all seine Vorstellungen vom Leben loslassen. Ist es wirklich genug, dich zu haben? Wäre mir deine Liebe genug, wenn du mir alles nehmen würdest? Meine Gesundheit, meine Jugend, meine Familie, meine Freunde, meine Gemeinde, meine Freude am Schreiben… Ich weiß es nicht. Ich hoffe es. Nein, jetzt mangelt es mir nicht, mein Leben ist reich. Ja, es hat mir nie wirklich gemangelt, seit ich dich kenne, es stimmt, auch nicht in meiner schwersten Krankheitszeit. Wenn ich bei mir bleibe, muss ich zugeben, es stimmt.“ 

Mitten in meine verhakten Gedanken fällt mein Blick auf den Stumpf eines gefällten Baumes. Ich erschrecke, denn er sieht aus wie ein großes Herz und mit einem Herz habe ich nicht gerechnet in diesem düsteren, verregneten Wald. Es ist als hätte mir Gott auf diesem abgelegenen Waldweg ein Herz zu Füßen gelegt. Minutenlang starre ich es an, Gänsehaut auf dem Rücken, Tränen in den Augen. Zu gut! Aus den Seiten wachsen neue Baumtriebe, kleine Neuanfänge. Siehe, ich werde ein Neues schaffen. Jetzt wächst es auf… Ja, Vater, ich sehe es. Ich möchte so gern dabei sein, wenn du das geknickte Rohr aufrichtest, ich möchte so gerne erleben, dass uns alle Dinge zum Besten dienen, solange wir dich nur lieben. In mir wird es ruhig. So ruhig, dass ich Vögel singen höre. Im Wald geht das Beten wirklich mühelos.  

Ich habe Gott gesucht, weil ich mich nach Lebenssinn sehnte. Ich habe die Bibel verschlungen, weil ich nach der Wahrheit hungerte. Als ich gläubig wurde war mein größter Gewinn die Erkenntnis, dass das Leben mit dem Tod nicht zu Ende sein wird.

Hat sich das für mich verschoben? Bin ich müde und enttäuscht, wenn Gott schweigt, Gebet verhallt? Suche ich noch in der Bibel nach Antworten auf Lebensfragen?

In mir gibt es einen Ruck. Gott ist mein lieber Vater. Er hat sein Liebstes geopfert, damit ich lebe. Was er getan hat, kann er nicht mehr übertreffen. Mit keiner Gebetserhörung. Mein Leben hat Sinn. Ich habe keinen Mangel. Mir ist es wichtig, wie mein Leben hier auf der Erde abläuft. Gott ist es wichtig, wie mein Leben nach meinem Tod weiter geht.

Darum wollen wir mit Zuversicht vor den Thron unseres gnädigen Gottes treten. Dort werden wir, wenn wir Hilfe brauchen, stets Liebe und Erbarmen finden. Hebräer 4,16 

Neulich radelte ich wieder durch den Wald mit vielen Fragen in mir. Da wuchs mir erneut Gottes Antwort grün aus dem Waldboden entgegen. Vor mir zu Füßen lag eine wundersame Verheißung in Form eines ovalen, platt gedrückten schon leicht angetrockneten Pferdeapfels, Ausmaße ungefähr dreißig mal sechzig Zentimeter.

Aus diesem Riesenfladen Pferdemist spross jede Menge junges grünes Gras. Eine zartgrüne Insel mitten auf dem grauen Kiesweg. Das war vielleicht mal ein Bild! Ich stieg ab und sah mir das eine Weile still an. Dann musste ich lachen, weil ich mir plötzlich sicher war, dass Gott aus jedem Mist noch etwas Gutes wachsen lassen kann.

Hier tritt ungebeten nur der Wind durchs Tor.
Hier ruft nur Gott an.
Unzählige Leitungen lässt er legen vom Himmel zur Erde.
Vom Dach des leeren Kuhstalls
aufs Dach des leeren Schafstalls.
schrillt aus hölzerner Rinne der Regenstrahl.
Was machst du? fragt Gott.
Herr, sag ich, es regnet, was soll man tun?
Und seine Antwort wächst grün durch alle Fenster. 

Reiner Kunze