Fromme Hausfrau - Bianka Bleier 



Bianka BleierImmer noch bin ich eine stinknormale Hausfrau. Wie sie zu Millionen und Abermillionen im deutschsprachigen Raum vorkommen, und darüber hinaus. Immer noch komme ich jeden Morgen zerknittert aus dem Bett und brauche jedes Jahr länger dafür, um diesen Zustand im Bad wieder rückgängig zu machen.
Seit Beginn der Homepage sind nun sechs Jahre vergangen. Inzwischen habe ich ein Tagebuch über das Älterwerden veröffentlicht: „40 werden immer nur die anderen“. Der Titel hat sich längst überholt. Ich habe die 40er Grenze überschritten, für meine Töchter gehöre ich der Gattung „Alte Frau“ an... Schließlich sind sie so gut wie erwachsen – was also bleibt da noch bei den Altersstufen „Kind, erwachsen, alt“ für Menschen wie mich übrig? Allerdings muss ich sagen, dass ich es eine wundervolle Lebensphase finde, die mich immer wieder positiv überrascht. Immer noch ist das Leben sehr spannend, lerne ich viel, immer noch ist das Leben mit Gott ein Abenteuer.

Immer noch (mit Betonung auf noch) leben wir zu fünft in einer Erwachsenen-WG – auch Jan ist nun kein Kind mehr. Er besucht eine Ganztagsschule für Schwerhörige und Sprachbehinderte. Das Leben mit unserem Jüngsten ist ein besonderes Leben. Er hat das Kabuki Syndrom, eine weltweit bisher erst zweihundert Mal diagnostizierte Behinderung. Das hat unsere Lebensschwerpunkte geprägt und bereichert. Wer den kleinen Prinzen von St. Exupéry kennt, kennt irgendwie auch Jan. Jan hat keine Masken, ist ohne Arg und lebt im Jetzt. Das ist bezaubernd und schutzlos zugleich. Sprechen fällt Jan schwer, aber da er in einer Familie lebt, für die Sprache DAS Medium ist, kann er gar nicht anders als erfreuliche Fortschritte zu machen?

Jan, Lena und Anna    Jan

Anna macht eine Ausbildung zur Krankenschwester, fährt unser großes Auto und weiß manches was ich nie wusste. Manchmal braucht sie noch einen Rat, aber oft gibt sie mir auch welche. Sie redet kein Wort zuviel, aber ihre Worte haben Gewicht.Lena versucht sich auf einer weiterführenden Schule. Sie wird demnächst unser großes Auto fahren…

Lena benutzt sehr viele Worte, um auszudrücken, wovon ihre Seele voll ist.Das Leben in unserem kleinen Haus ist eng und intensiv. Ich genieße diese Phase in dem Bewusstsein, dass sie bereits zu Ende geht und wir dabei sind, die letzten Starthilfen zu geben.

Werner, der Mann, der zu uns gehört und dessen Schlüsselrolle in meinem Leben wieder zunimmt mit der zunehmenden Selbständigkeit der Kinder, leitet eine Werkstatt für Behinderte und eine Heimwerkstatt im Keller. Im Gegensatz zur frommen Hausfrau hat er kein Bedürfnis, sich der Öffentlichkeit mitzuteilen und bleibt am liebsten inkognito ?

Beim Schreiben    Im Auto

Zweimal in der Woche arbeite ich in der christlichen Buchhandlung unserer Gemeinde. Dort betreue ich Karten, Kalender und Bildbände. Ich liebe gute Fotos und aussagekräftige Kurztexte und ich liebe den Kontakt zu meinen Lesern. Meine Gemeinde liebe ich auch. Dort bin ich mit Menschen unterwegs, die Jesus nachfolgen wollen. Das ist schön und schön anstrengend. Gemeinde ist ein großes Lernfeld, um die eigenen Gaben und Begrenzungen kennen zu lernen und Jesus Gebote einzuüben.

Ich bin ein Schreiberling. Schreiben ist für mich ein tiefes Bedürfnis, das, seit ich schreiben gelernt habe, immer weiter gewachsen, zu einem Teil meines Lebens geworden ist und sich in eingefleischten Gewohnheiten meines Alltags niedergeschlagen hat. Seit 30 Jahren schreibe ich Tagebuch. Ich brauche das, um mein Leben zu ordnen. Mit 34 habe angefangen, Auszüge aus meinen Tagebüchern zu veröffentlichen, ohne eigentlich genau zu wissen, warum ich das tue. Vielleicht hängt es mit meinem enormen Mitteilungsbedürfnis zusammen. Oder damit, dass mir das Schreiben solchen Spaß macht. Vielleicht will ich mich transparenter machen. Auf jeden Fall ist die Resonanz faszinierend, denn in jedem der wundervollen Leserbriefe, die mir seither meinen Alltag versüßen, lese ich: „Sie sind wie ich!“ oder, häufiger: „Ich bin wie Du!“ Und ich habe begriffen: WIR SIND ALLE GLEICH!! Ich finde die Vorstellung, dass da eine Schar unbekannter Frauen des gesamten deutschsprachigen Raumes mir wohlgesinnt ist, nur weil ich so stinknormal bin, unbeschreiblich tröstlich. Das hat mein Leben nachhaltig verändert. Und so schreibe ich weiter...

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