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Wenn ich ehrlich bin, muss ich zugeben, dass ich ohne Felix leben könnte. Ja, ich muss sogar zugeben, dass ich nie auf den Gedanken gekommen wäre, dass er oder einer seiner Brüder bei uns einzieht. 42 Jahre lange habe ich ohne Kater gelebt und für die nächsten 42 Jahre war von meiner Seite aus auch keiner geplant. Zum Glück hatte auch mein lieber Mann keine Lust auf Mehrarbeit in Richtung Katzenklo säubern und so, und von daher gab es eine seltene Einigkeit im Hause Fernandez. Diese hielt, bis unsere Tochter vor wenigen Wochen mit großen Augen vor ihrer Mutter stand und aufgeregt losredete: "Du Mama, der Lisa ihre Katze hat Junge bekommen. Für alle sind Familien gefunden worden, nur für das eine nicht!"
"Das tut mir leid", unterbrach ich sie, "nun, sie werden schon noch jemanden finden."
"Nein, Mama, die haben doch schon überall nachgefragt. Niemand will es haben. Und wenn sich nicht noch in dieser Woche einer findet, dann muss das Junge ins Tierheim!" So, wie sie das Wort Tierheim aussprach, nahm ich an, dass es sich dabei um eine besonders grausame Art der Massentierhaltung handeln müsse. Entsprechend guckte ich wohl auch. Josefine witterte sogleich ihre Chance: "Mama, bitte! Bittttttttte! Ich kümmere mich auch, ich verspreche es!"
Hinter ihr tauchten die Brüder auf: "Bitte, Mama! Wir alle drei kümmern uns!"
"So? Etwa so, wie ihr eure Zimmer aufräumt?", meinte ich spitz.
"Nein! Wirklich! Wir werden alles tun, was für so eine Katze wichtig ist. Wir machen alles sauber, füttern sie. Ihr werdet über-haupt keine Arbeit mit der Katze haben!"
Sehr ungewöhnlich, diese Einigkeit! "Dann fragt euren Papa!" Kurzerhand schob ich den Schwarzen Peter meinem Mann zu. Bei ihm hatten die drei dann doch eine schwierigere Aufgabe. Geschlagene zehn Minuten brauchten sie, bis Victor entnervt aufgab: "Aber denkt nicht, dass ich auch nur einmal das Katzenklo ..." Der Rest ging im Gejubel der drei unter.
"Na gut", dachte ich mir, "du lebst auf dem Land, du hast drei Kinder, die so gern ein Tier hätten und du lebst in einem Einfamilienhaus. Warum also auch nicht."

So kam Felix eine Woche später zu uns. Dass er sonst ins Tierheim gemusst hätte, entpuppte sich als glatte Lüge. Aber da war es schon zu spät, ich hatte dieses süße kleine Katerlein schon gesehen. Nun sollte es auch bleiben. Und es ist auch so, dass die Kinder sich ganz viel um Felix kümmern. Wenn ich sehe, wie Moritz morgens schon den Kater durch das Haus trägt, wo er doch noch vor kurzem um diese Uhrzeit nicht ansprechbar war, dann geht mir das Herz auf.
Felix geht es gut bei uns. Doch er weiß es oft nicht zu schätzen. Er weiß nicht, dass ich eigentlich ohne ihn leben könnte, wenn er meinen Vorhang herunterholt. Er weiß nichts davon, dass ich auch die nächsten 42 Jahre ohne Kater leben wollte, wenn er in meinen Blumentöpfen buddelt. Er scheint anzunehmen, dass er hier im Hause Fernandez eine ... nun ... nicht zu geringe Stellung inne hat. Anders kann ich es mir jedenfalls nicht erklären, warum dieses undankbare kleine Tier nur darauf zu warten scheint, dass einer aus der Familie vergisst, das Kellerfenster zu schließen. Dann ist er nämlich weg. Und wo rennt er hin? Zu unseren Nachbarn, die eine Dobermannhündin haben. Zu diesen Nachbarn, die immer mit verkniffenem Gesicht zu sehen sind. Die Nachbarin trägt ihn auch prompt zurück und schnauzt die Kinder an: "Ist das eure Katze?! Bella mag keine Katzen! Wenn etwas passiert, übernehmen wir nicht die Verantwortung! Das ist unser Grundstück und wenn es zum Katzenklo umfunktioniert wird, dann gibt es Ärger!"
Ich bin sauer! Böse Gedanken über diese Nachbarin schwirren in meinem Kopf herum. Sie hat doch tatsächlich unseren Felix beleidigt! So einen kleinen Kater! Es ist, als hätte jemand eines meiner Kinder ungerecht angegriffen. "Felix war noch nie draußen, warum sollte er ihre Wiese als Katzenklo ... da hätte er doch bei uns etwas viel Besseres! Sie soll mal lieber auf ihren Dobermann Bella aufpassen, der hier frei herumläuft. Ist das überhaupt erlaubt?!" Ich erschrecke und bitte Gott, in meine Gedanken zu kommen. Ich allein komme da gar nicht heraus!

Minuten später muss ich lächeln. Mit Gott ist es so wie mit mir und meinen Kindern. Das wird mir jetzt wieder ganz bewußt. Ich habe auch Wünsche, die ich zu Gott im Gebet bringen kann. Vielleicht sagt Er auch das eine oder andere Mal: "Eigentlich hätte sie es nicht unbedingt gebraucht!"  Aber Er hat mich lieb und erhört so manches meiner Gebete. Und dann lässt Er mich auch nicht hängen mit meiner Gebetserhörung. Wenn etwas dann doch nicht so richtig läuft, dann ist Er da. Oft kann ich Seine Gegenwart spüren. Dafür bin ich heute wieder sehr dankbar.

Beate Fernandez