Fromme Hausfrau - Zeit für mich - Schreibwerkstatt - Erzählungen & Kurztexte - Hunde - die Geschichte einer Versöhnung 



Wie es dazu kam, weiß ich nicht mehr. Vielleicht ein frühkindliches Trauma, ein Schockerlebnis meiner Mutter während der Schwangerschaft. Oder ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten, als meine Vorfahren voller Grauen dem Heulen der Wölfe lauschten, das über die schneebedeckten Fluren Germaniens scholl. Eins war mir jedenfalls klar, seit ich denken konnte: Hunde können niemals meine Freunde sein.

Meine Freunde haben keine 3 cm langen Reißzähne, sie zermalmen auch nicht seelenruhig armdicke Rindsknochen zwischen Ober- und Unterkiefer. Hunde jedoch machen so etwas und zwar unter Furcht erregender Geräuschentwicklung. Im günstigsten Fall schlabbern sie unterm Kaffeetisch an den frisch gewaschenen Händen, sodass man wieder aufstehen und ins Bad gehen muss. Oder sie müssen während des Spaziergangs mit der besten Freundin ständig, mitten im interessantesten Gespräch, dringend herbeigerufen werden. Mit gellenden Pfiffen und lautem Geschrei: "Rolli, Rooolliiiiii, komm heeer, wir gehen jetzt ... Auf Wiiiiiiiedersehen ... braver Hund ... äh ... wo waren wir stehengeblieben?"

Die meisten Hunde jedoch bevorzugen Überraschungsauftritte hinter Gartentüren, wo sie durch unverhofftes, kehliges Bellen den arglos Vorübergehenden in einen Schockzustand versetzen. Ich bin mir sicher, ich habe diese Burschen schon kichern gehört hinter meinem Rücken. Eine weitere beliebte Erscheinungsform ist der Dobermann, sich selbst fast stranguliert bei dem Versuch, die Leine zu zerreißen, zweifellos, um sich auf mich zu stürzen und mich zu zerfleischen. Oder der pfeilschnell übers Feld auf mich zuschießende deutsche Schäferhund, weit hinten am Horizont die Besitzerin, die mit dünner Stimme versucht, seine Aufmerksamkeit zu erregen. Sehr wirkungsvoll auch der Airedaleterrier einer Schulfreundin, der mir knurrend seine Schnauze in den Bauch bohrte - „du musst ihm nur auf die Stirne klopfen, dann hört er auf" - und der auf mein zitterndes Stirnklopfen mit noch lauterem Knurren reagierte - „Ja, mei, er merkt halt, dass du Angst hast." Ja, das konnte man so sagen. Und ich glaubte, das würde so bleiben, bis einst der Tod als Befreier käme.

Doch statt dessen kam Jesus in mein Leben und mit ihm - Veränderung. Und Versöhnung. Ganz offenbar auch in diesem Lebensbereich. Den ersten praktischen Hinweis erhielt ich durch die Predigt eines schwedischen Evangelisten, der davon berichtete, wie er sich beim morgendlichen Joggen an einsamen griechischen Stränden plötzlich den blitzenden Zahnreihen einer Gruppe Dobermänner gegenübersah. Nach einer kurzen Panikattacke sprach er sie laut im Namen Jesu an, die Tiere blieben wie vom Donner gerührt stehen und ließen ihn unbehelligt passieren.

Da wurde mir bewusst, dass mein Jesus, der mich ja Tag und Nacht begleitet, auch in diesen Situationen über unbegrenzte Macht verfügt. Und noch dazu hatte ich als Kind Gottes die ausdrückliche Erlaubnis, in seinem Namen zu sprechen. Welche Chancen! Welche Freiheit! So konnte ich mich der nächsten Herausforderung stellen: Ich begann zu joggen. Ohne die Gewissheit des starken Helfers an meiner Seite hätte ich schon nach wenigen Tagen das Handtuch geworfen. Denn neben der täglichen Überwindung des inneren Schweinehundes beim Anziehen der Joggingschuhe ist die Konfrontation mit Hunden sämtlicher Rassen das hervorstechende Merkmal dieser Sportart. Ich lief also, betete, sprach im Namen Jesu, wurde gelassener, und wenn dem nicht so war, ließ ich mir zumindest nichts anmerken. Auch jetzt hatte ich noch manchmal das Bedürfnis, spontan rechts abzubiegen, wenn sich die Frau mit den zwei Schäferhunden näherte. Und ein hautnah vorbeitrabender, behäbiger Rottweiler war nach wie vor in der Lage, meinen Pulsschlag zu verdoppeln.

Aber nach einem halben Jahr konnte ich es nicht mehr ignorieren: Die Versöhnung von Mensch und Tier nahm ihren Lauf. Sogar als mich unschuldig Vorbeijoggende dann ein ziemlich großer, ziemlich wilder brauner Schäferhundmischling anfiel, laut knurrend mehrmals nach mir schnappte und von seinem entsetzten Besitzer mit einem Judogriff zu Boden geworfen werden musste, konnte ich ruhig bleiben. Ganz in der inneren Gewissheit: Der darf mir nichts tun, Jesus ist stärker!

Diese Angstfreiheit an sich ist ja schon eine feine Sache. Aber wenn ich dann erlebte, wie angriffslustige Hunde auf meine Anweisung hin schlagartig stehen blieben und einen großen Bogen um mich machten, war das ein echtes Wunder Gottes. Zwar gab es sicherlich schon gelindes Erstaunen bei den Hundebesitzern, als sie meinen Kampfschrei „Stopp, in Jesu Namen" hörten. Aber wenn Gefahr im Verzug ist, ist keine Zeit für Menschenfurcht!

So war ich eigentlich recht zufrieden mit meiner aktuellen Beziehung zu Hunden - Gott war es offenbar noch nicht. Er wollte noch einen Schritt weiter, und wie immer war es ein Glaubensschritt. Wir kennen das: Man zögert, nimmt allen Mut zusammen, geht los, tritt ins Leere und fällt ... in Gottes Hand.

Die nächste Stufe war also schon geplant. So lief ich vor einigen Monaten bei meiner täglichen Joggingrunde an einem abgelegenen Parkplatz im Grünen vorbei, auf dem sich einige Männer fachsimpelnd um ein Auto versammelt hatten. Wahrscheinlich waren es lauter brave, unbescholtene Familienpapas, aber auf einsam dahinlaufende Frauen wirken Männer am Wegesrand immer ein bisschen wie potentielle Gewaltverbrecher. So begann ich zu beten und kam mit Gott ins Gespräch. Ich fragte ihn: „Was wäre jetzt, wenn sich mir jemand in den Weg stellen würde, um mich zu überfallen? Ich würde natürlich zu dir um Hilfe schreien! Aber wie? Vielleicht könnte ich dich bitten, mir einen Engel zu senden? Würdest du das tun? Würde ich den sehen können? Wie sähe der wohl aus ...?" In tiefe Gedanken versunken trabte ich weiter und näherte mich nach einiger Zeit einem offenen Feld, eine herrliche Gegend.

Da kam mir an der Wegbiegung ein großer, schwarzer Hund entgegen. Sehr groß, sehr schwarz, Rasse unbekannt. Er blieb stehen. Ich verlangsamte ganz automatisch meine Schritte und warf einen Kontrollblick in die Runde: Wo war der Besitzer? Alarmiert schaute ich genauer - tatsächlich: Kein Mensch! Das Untier erwartete mich geduldig. Als ich mit langsamen Schritten - Glaubensschritten - näher kam, trat es sogar zur Seite und ließ mich passieren. Das tat ich, mit wackeligen Knien, klopfendem Herzen und den Worten: „Geh weg, in Jesu Namen!"

Keine Reaktion. Im Gegenteil, er setzte sich wieder in Bewegung, aber entgegen seiner ursprünglichen Laufrichtung, und f o l g t e mir! Panik!! Ich drehte mich um und wiederholte mit lauter Stimme meinen Befehl. Er blieb stehen und sah mich an, fragend ... eigentlich fast freundlich. Können Hunde lächeln? Ich versuchte, mir gar nichts anmerken zu lassen, einfach weiterlaufen. Beim nächsten Blick über die Schulter saß er immer noch an Ort und Stelle. Na endlich, Gott sei Dank, er hat´s kapiert! Allerdings fasste er meinen Blick wohl als Einladung auf, denn kurz darauf war er wieder da und trabte unerschüttert neben mir her. Ich fügte mich in mein Schicksal. Vielleicht war er ja weder hungrig noch tollwütig und ließ mich am Leben.

So liefen wir einige Zeit gemächlich nebeneinander, ich beruhigte mich langsam. Eigentlich ganz nett, so ein Joggingpartner. Ist ja auch nicht schlecht, denn wenn so ein Ungetüm neben dir herläuft, traut sich sicher keiner an dich ran ... Als ich mit meinen Überlegungen hier angekommen war, traf mich der Blitzstrahl der Erkenntnis. Gott! Mein Gebet! Der Engel! Vielleicht hatte Gott gerade keinen Engel übrig gehabt und schickte mir statt dessen einen Wachhund! Zuzutrauen wär´s ihm schon. Ich hatte schon immer den Eindruck, dass mein Vater im Himmel eine Menge Humor hat! Versöhnt blickte ich meinen vierbeinigen Beschützer an, er lächelte zurück, ja, doch, Hunde können lächeln.

So liefen wir einträchtig miteinander, bis wir bewohntes Gebiet erreichten. Ich bog nach links ab, er nach rechts, nicht ohne mir einen Abschiedsblick zuzuwerfen. Vergnügt trabte ich heimwärts. Ich hatte eine Lektion gelernt. Bei Gott geht’s immer noch einen Schritt weiter. Die Gebetserhörungen kommen nicht immer so, wie wir uns das vorstellen. Und Dinge, die früher Probleme für uns waren, können, mit ihm, zu Lösungen werden. Er stellt unsere Welt auf den Kopf! Aber uns selbst stellt er auf festen Grund. Was für eine toller Vater! Übrigens: Obwohl ich besagte Strecke immer wieder laufe, meinen schwarzen, vierbeinigen Freund habe ich nie wieder getroffen. Vielleicht war er ja wirklich ... naja ... wer weiß?

eingesandt von Angela Reitenbach (Juni 2002)