Immer wieder kommt es vor, dass bei Diskussionen um Glaubensfragen und strittige Bibelauslegungen der Vorwurf des Pharisäertums im Raum steht. Damit ist wohl gemeint, dass man einem Pharisäer gleicht, wenn man die Bibel zu genau nimmt bzw. wörtlich auslegt.

Ich habe mir öfter die Frage gestellt, wie man die Bibel aus heutiger Sicht verstehen kann, denn viele Aussagen Jesu wurden ja vor zwei Jahrtausenden in einer anderen Kultur und Zeit gemacht. Dann stieß ich auf das Buch, „Das Leben des Messias – zentrale Ereignisse aus jüdischer Perspektive“ in dem Vieles zur damaligen Zeit im Judentum erklärt wird (Der Autor selbst ist messianischer Jude), unter anderem auch über die Pharisäer.

Also, hier ein Paar Infos zu den Pharisäern:

Im Alten Testament gibt es ja außer den Zehn Geboten noch weitere von Mose aufgeschriebene Gesetze, und zwar sind es insgesamt 613.
Als die Juden aus Babylonischer Gefangenschaft zurückkehrten (das war einige Jahrhunderte vor Christus), erkannten die geistlichen Führer Israels, dass der Grund des Exils der Ungehorsam gegen Gottes Gebote war. Esra (der aus dem Buch Esra in der Bibel) gründete eine Schule, in der die geistlichen Führer die Schrift studieren und diese dem Volk auslegen sollten.
Nachdem die erste Generation dieser Schriftgelehrten starb, war die nächste der Ansicht, man müsse um die Gesetze herum „Zäune bauen“, d.h. zusätzliche Gesetze aufstellen, die verhindern sollten, dass man die eigentlichen 613 Gesetze brechen konnte.
Im Laufe der Jahrhunderte kamen immer mehr solcher „Zäune“ dazu, schließlich handelte es sich um Tausende Gesetze, und auch zur Zeit Jesu wurden immer weitere Gesetze entwickelt. Alleine zum Gebot des Sabbats gab es 1500 Gesetze! Es wurde z.B. gelehrt, dass das Volk Israel geschaffen wurde, um den Sabbat zu heiligen. Die Pharisäer erwarteten von Jesus, dass Er all diesen Regeln gehorchen und als Lehrer ebenfalls weitere Gesetze entwickeln sollte, was Er aber nicht tat und deshalb von den Schriftgelehrten und Pharisäern abgelehnt wurde.
Jesus hat immer wieder auf die Unterschiede zwischen dem Gesetz des Mose und den Regeln der Pharisäer hingewiesen. Für die Pharisäer war z.B. das Gebot „Du sollst nicht töten“ erst dann übertreten, wenn man gemordet hat. Jesus aber sagte, dass dieses Gebot bereits gebrochen wird, wenn man seinen Mitmenschen hasst. Somit hat Er das Gesetz nicht abgeschafft, sondern sogar „verschärft“. Die Pharisäer glaubten, dass sie durch das Einhalten der Gebote Gerechtigkeit erlangen würden. Jesus zeigte Ihnen aber auf, dass Gerechtigkeit durch Werke nicht möglich ist. Außerdem kritisierte Er, dass sie Gottes Gebote missachteten, um menschliche Regeln einzuhalten – z.B. die Regel „Korban“ – eine Opfergabe, die einen Pharisäer davon befreite, sich um die eigenen Eltern kümmern zu müssen. Es gab da noch viele andere Regeln, die ebenfalls Gottes Gebote umgingen. Jesus hat aber Gottes Gebote nicht gebrochen, sondern sie anders ausgelegt, als die Pharisäer.


Was also hat Jesus an den Pharisäern kritisiert?
1. Ihre Heuchelei – sie befolgten die Gebote nicht aus Liebe zu Gott, sondern um zu zeigen, wie geistlich sie waren (öffentliche Gebete, Fasten, das Präsentieren der Wohltätigkeit etc.)
2. Dass sie dem Volk in Form von unzähligen zusätzlichen Regeln Lasten auferlegten, für sich aber Schlupflöcher schufen (siehe oben)
3. Ihre Selbstgerechtigkeit – sie glaubten, durch eigene Werke den Himmel verdienen zu können, Jesus als den Messias nahmen sie aber nicht an.

Zusammenfassend kann man sagen, dass Jesus nirgendwo dazu ermutigt hat, Gottes Gebote zu vernachlässigen oder nicht so genau zu nehmen. Er sagte unter anderem:
„Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen.“
und „Denn wahrlich, ich sage euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird nicht vergehen der kleinste Buchstabe noch ein Tüpfelchen vom Gesetz, bis es alles geschieht“ Allerdings hat Jesus aufgezeigt, dass alle Gesetze eigentlich in den beiden Geboten „Liebe Gott und liebe deinen Nächsten“ zusammengefasst sind. Und diese Gebote sehe ich als die allergrößte Herausforderung! Aber dieses Thema wäre wohl wiederum einen eigenen Thread wert

Dieses Buch bin ich auch grad am lesen. Sehr spannend. Mal eine andere Sicht auf dieses Thema. Ich finds gut (bis auf die ersten 50 Seiten)

Danke, Verena!

Ich denke ich werde das auch mal lesen.

Irgendwie sehr schade, dass dieses Thema so untergeht.

Finde ich auch.

Es gehen sehr viele wichtige Dine unter, wie schade in dieser Welt.

Ich will hier jetzt nicht darüber lamentieren, was alles in dieser Welt untergeht.
Ich hab nach dem Urlaub diesen Thread gelesen und dachte mir, dass das ein gutes Thema ist. Einfach weil die Pharisäer ja ganz oft ganz schlecht wegkommen. Und wenn man sich dann mal ein bissel mit ihnen beschäftigt, merkt man, dass viele Dinge, die bei ihnen so negativ wirken, ziemlich menschlich sind.

Das Thema ist aber "Jesus und die Pharisäer". Und was Jesus von ihnen hält, das kann jeder nachlesen. Da muss man nicht viel drüber reden.

Ellabella,
ich finde, man kann schon darüber nachdenken, wer die Pharisäer eigentlich waren und warum Jesus sie verurteilte. Der Begriff "Pharisäer" wird ja oft missbraucht, wenn man Jemanden für "Bibeltreue" kritisieren will. Aber für das Forschen in der Schrift hat Jesus die Pharisäer ja nicht verurteilt, sondern dafür, dass sie die Schriften kannten und deshalb erkennen müssten, dass Er der Messias ist, und Ihn aber trotzdem ablehnten.