Liebe Maria,
da fällt mir ein, dass ich vor mehr als 40 Jahren mal von einem kleinen Mädchen verprügelt worden bin, auf dem Heimweg vom Kindergarten. Sie war der bekannte Kindergartenschreck und an jenem Tage traf es mich. Brüllend kam ich zuhause an. Meine Mutter sagte nicht viel.
Eines Tages trafen wir das Kind dann, es stand vor einem Laden. Meine Mutter rauschte hin, packte es am Arm und schimpfte ordentlich. Heute kann man sich das gar nicht mehr vorstellen, aber damals beschwerte sich nicht mal ihre Mutter! Es ging so schnell, dass das Mädchen nur höchst verdattert dastand. Ich hatte für immer Ruhe, um mich machte sie von da an einen grossen Bogen. Meine Mutter ist eine couragierte Frau
und ihr solltet wirklich keinen Streit mit ihr anfangen!
Auch ich habe mal mit einem Jungen gesprochen, der Andi gequält hat. Natürlich ohne handgreiflich zu werden. Hat auch so 1 Jahr gewirkt, und der Junge ist inzwischen in einer anderen Schule. Meine Erfahrung ist: Meine Mutter hat sich immer für uns eingesetzt, auch bei Lehrern, sie hatte nie Angst vor Konsequenzen und hatte recht damit! Uns ging es nie schlechter dadurch, nur besser! Und wenn die Eltern es nicht schaffen, ihren Raubauken Einhalt zu gebieten, müssen es eben andere tun- im richtigen Rahmen natürlich.
Ich frage immer erst nach allen Begebenheiten, Hintergründen usw, auch bei anderen Kameraden, denn kann ja sein, mein Kind erzählt nicht alles. Ich mache mir also ein umfassendes Bild und gehe dann geplant vor.
Die schlechten Erfahrungen habe ich mit Eltern gemacht- mein Kind tut das nicht- und einigen Lehrern, die angeblich nichts mitkriegen.
Gut, ich sehe als Erzieherin auch nicht alles und bin dann dankbar, wenn Eltern kommen. Mal hat bei uns ein Junge kleinere Kinder im Nebenzimmer in eine Ecke gezogen und mit Geistergeschichten geängstigt. Als wirs erfuhren, konnten wirs sehr schnell abstellen.
Wichtig ist ja nicht nur, die einen aus der Opferrolle herauszuholen- auch die anderen brauchen sich in der Täterrolle gar nicht erst einzurichten! Das zieht sich nämlich auch durch, die fallen bei Wechsel trotzdem wieder auf. Da bedauere ich die Blauäugigkeit der Eltern, die nichts wahrhaben wollen. Früh genug könnte man eingreifen, schleift sich das ein, fallen sie später mal so auf den Bauch- das wollen die Eltern bestimmt nicht.
Wie man merkt, war ich auch ein eher zages Kind und musste erst lernen, mich durchzukämpfen. Wer es als Erwachsener noch schwer hat und Konflikte scheut, für den wäre eine Therapie was Gutes. Zusammen mit dem Kind kann man andere Strategien lernen. Ich weiss nicht, weshalb eine Therapie so einen schlechten Stellenwert hat- erst wenn nichts anderes hilft- also unsere 2 Jahre möchte ich nicht missen, ich habe jede Stunde genossen! Ich habe mich derart weiterentwickeln können, unsere Familie profitiert heute noch davon. Ich konnte Klarheit über mich und meine Ziele gewinnen und habe viele von den Schwierigkeiten, von denen andere erzählen, überwunden. Heute würde ich sofort mit Freude wieder zugreifen, um eine zu bekommen- nur gibt es keinen Anlass!
Alles Gute
eure April