(47.)
Über die Schwaben
Bhäb, schaffig, hehlinge und nur selten glüschdig
Stimmt, wir sind bhäb! Wir sind auch ernst, grüblerisch, wortkarg und misstrauisch. Wir sind nicht so direkt wie die Berliner, nicht so leichtlebig wie unsere badischen Landsleute, und rheinischer Frohsinn ist uns wesensfremd. Verschwender, Angeber und Wichtigtuer können wir nicht leiden. Unser Sach aber, das mögen wir. Denn Haus- und Grundbesitz macht uns sicher und frei. Wir loben ungern und verteilen Komplimente sparsam. Schaffen ist uns wesenseigen und eine Frage der Moral. Deshalb können wir Luße, die Zeit des Nichtstuns, nur eingeschränkt genießen. Wir geben auch gern zu, dass wir keinen Imperfekt kennen und der Butter bei uns männlich ist.
Sauber ist unser Synonym für schön und ein Superlativ, anzuwenden nicht nur auf die Kellertreppe nach der Kehrwoche. A saubers Mädle, a sauberer Kerle, diese Formulierungen sind das höchste an Gefühlsäußerung, wenn sich Schwabe oder Schwäbin verlieben. Im offensiven Umgang mit der Lust tun wir uns nämlich schwer. Es fehlen uns dafür auch die Worte: Schließlich ist das, was unsere männlichen Landsleute hinterm Hosentürle haben, allenfalls a Schnäpperle oder a Zipfele, und die weiblichen Brüste heißen wir Herzer. Kommt es der schwäbischen Seele doch auf die inneren Werte an und nicht auf gewöhnliche Lustbefriedigung.
Glüschdig sind wir höchstens auf ein Viertele, ein Kräuterkäsbrot und auf die Zinsen in unserem Sparbüchle. Alles andere passiert halt. "Was soll mer do drzu sage? Am beschde gar nix!" So pflegen wir in solchen Fällen gewisse Unsicherheiten zu artikulieren. Den schwäbischen Orgasmus hat Thaddäus Troll spartanisch formuliert: "Sodele, jetzetle."
Auch hinter den Klischees, die auf dem Schwaben lasten, steckt ein Korn Wahrheit, selbst wenn sich in Zeiten der Globalisierung vieles verändert hat im württembergischen Exportland. Natürlich trinken wir längst Prosecco statt Cannstatter Sauerwasser. Und statt der Maultaschen darf es auch mal gegrillter Hummer sein. Wir sind Weltmeister im Reisen. Wer ist nicht schon im hintersten Winkel der Welt auf Landsleute getroffen? "Jetzt leck mi am Arsch", sagen wir dann und geben damit unserer Freude über die unerwartete Begegnung Ausdruck. So weit gereist und welterfahren wie wir uns inzwischen geben, müsste ein Friedrich Schiller heute nicht mehr nach Thüringen flüchten, ein Friedrich Hölderlin müsste nicht verrückt werden. Was früher die Auswanderer und Missionare waren, sind heute die Geschäftsleute und Globetrotter. Und was sie in der Ferne probieren, wird auch auf der Filderebene nachgefragt.
Thailändisch essen gehen ist mittlerweile sogar dem Menschenschlag mit den pietistischen Wurzeln erlaubt. So sich der Schwabe die Verschwendung eines Porsches leistet, muss er das Luxusgefährt auch nicht mehr in der Garage verstecken und mit dem Zweitwagen zur Gemeinderatssitzung fahren. Und er muss - der Spaßgesellschaft sei Dank - nicht mehr zum Lachen in den Keller gehen. ""s isch nemme des" wird er entschuldigend formulieren - unsere traditionelle Tatsachenfeststellung mit dem traurigem Unterton, passend zu vielen Gelegenheiten. Denn im Grunde unserer Seele sind wir eben immer noch urschwäbisch.
Schaffe ond spare ist uns ein Urbedürfnis. Auch nach Feierabend und am freien Wochenende sitzen wir ungern faul rum. Deshalb haben viele von uns ein Gütle, wo sich der Schwabe und die Schwäbin an der frischen Luft erholen und gleichzeitig sparen können. Denn der selbst gezogene Rettich der Sorte Roter Neckarruhm schont ebenso das Haushaltsgeld wie die Wangenheimer Zwetschge, die gute Luise und der Boskop, mit dem wir vitaminreich über den Winter kommen. Gartenmöbel bräuchten wir eigentlich keine, denn das Gütle ist wie gesagt nicht zum domm romhocka da. Aber zwischenzeitlich wird man sogar von Landsleuten fast krumm angeguckt, wenn man nicht mindestens einen soliden Bank aus Teakholz (auch dieses Sitzmöbel ist bei uns männlich) vors Gartenhäusle stellt. Man braucht ja auch ein Plätzle zom Veschpra. Denn wer schafft, muss auch essen; stillvergnügt.
Ja, wir sind halt lieber hehlinge fröhlich, hehlinge reich und sogar hehlinge gscheit. Wir stellen unser Licht gern unter den Scheffel und gucken lieber henderm Vorhängle als am offenen Fenster nach, was die Nachbarin so treibt am helllichten Tag. Wir tragen unser Innerstes ungern nach außen, artikulieren Gefühle und Befinden zurückhaltend.
Saumäßig schön, sagen wir maximal, oder sauglatt oder obacha guat. Manchmal auch gottsmillionisch, jessasmäßig oder herrgottssack, was mit Ausrufezeichen versehen Ausdruck positiven Staunens ist. Unsere Dialektik (auf den Hegel sind wir gottsallmächtig stolz) wird deutlich, wenn wir die Vorsilbe "Sau" auch negativ verwenden: ein Saudackel ist genauso wüst wie ein Saumensch (das ist die Geliebte eines verheirateten Mannes), aber wüster als ein Allmachtsdackel, ein Furzklemmer oder ein Glufamichel. Als Zwischenstufe seien Bachel und Sempel genannt, hingegen ist der Bruddler oder der Denger eher gutmütig gemeint. Ganz spitzenmäßig aber ist einer, den die künftige Schwiegermutter als reachden Mo bezeichnet.
Ja, mit den Komplimenten tun wir uns heute noch schwer: die Superlative der jungen Generation sind alle aus dem Hochdeutschen oder dem Englischen entlehnt. Wir aber sagen nicht "wow", sondern ned schlecht. Bisweilen ringen wir uns auch ein "Reschpekt!" ab. Wir mögen halt das Gschwollene und die Leute mit Krattel nicht. Und wenn wir unser liebliches -le anhängen, ist die schwäbische Welt in Ordnung, ganz nach dem Motto: "Net gschimpft isch gnug globt." Schließlich ist das Spätzle bei uns nicht nur ein Grundnahrungsmittel, sondern auch ein Kosewort, ähnlich dem Moggele und dem Schätzle. Nur wer ein ganz schlechtes Gewissen dem Schneckle gegenüber hat, wird sich zum Aminoschlupferle versteigen.
Aber wehe, das Schätzle ändert sich: dann mutiert es zum Lombadierle, zur Goiß oder zum Ripp, das nemme sauber isch. Zur Scheidung ist es dann nicht weit. Die kostet aber Geld, und das geben wir nur notgedrungen aus. Müssen wir doch unser Sach zsammehalta, damit wir guten Gewissens ab und zu unseren Prosecco trinken und in ferne Länder reisen können. Denn nichts ist schöner, als nach dem wohl verdienten Urlaub wieder heimzukommen in unser saubers Ländle.
Über die Schwaben
Bhäb, schaffig, hehlinge und nur selten glüschdig
Stimmt, wir sind bhäb! Wir sind auch ernst, grüblerisch, wortkarg und misstrauisch. Wir sind nicht so direkt wie die Berliner, nicht so leichtlebig wie unsere badischen Landsleute, und rheinischer Frohsinn ist uns wesensfremd. Verschwender, Angeber und Wichtigtuer können wir nicht leiden. Unser Sach aber, das mögen wir. Denn Haus- und Grundbesitz macht uns sicher und frei. Wir loben ungern und verteilen Komplimente sparsam. Schaffen ist uns wesenseigen und eine Frage der Moral. Deshalb können wir Luße, die Zeit des Nichtstuns, nur eingeschränkt genießen. Wir geben auch gern zu, dass wir keinen Imperfekt kennen und der Butter bei uns männlich ist.
Sauber ist unser Synonym für schön und ein Superlativ, anzuwenden nicht nur auf die Kellertreppe nach der Kehrwoche. A saubers Mädle, a sauberer Kerle, diese Formulierungen sind das höchste an Gefühlsäußerung, wenn sich Schwabe oder Schwäbin verlieben. Im offensiven Umgang mit der Lust tun wir uns nämlich schwer. Es fehlen uns dafür auch die Worte: Schließlich ist das, was unsere männlichen Landsleute hinterm Hosentürle haben, allenfalls a Schnäpperle oder a Zipfele, und die weiblichen Brüste heißen wir Herzer. Kommt es der schwäbischen Seele doch auf die inneren Werte an und nicht auf gewöhnliche Lustbefriedigung.
Glüschdig sind wir höchstens auf ein Viertele, ein Kräuterkäsbrot und auf die Zinsen in unserem Sparbüchle. Alles andere passiert halt. "Was soll mer do drzu sage? Am beschde gar nix!" So pflegen wir in solchen Fällen gewisse Unsicherheiten zu artikulieren. Den schwäbischen Orgasmus hat Thaddäus Troll spartanisch formuliert: "Sodele, jetzetle."
Auch hinter den Klischees, die auf dem Schwaben lasten, steckt ein Korn Wahrheit, selbst wenn sich in Zeiten der Globalisierung vieles verändert hat im württembergischen Exportland. Natürlich trinken wir längst Prosecco statt Cannstatter Sauerwasser. Und statt der Maultaschen darf es auch mal gegrillter Hummer sein. Wir sind Weltmeister im Reisen. Wer ist nicht schon im hintersten Winkel der Welt auf Landsleute getroffen? "Jetzt leck mi am Arsch", sagen wir dann und geben damit unserer Freude über die unerwartete Begegnung Ausdruck. So weit gereist und welterfahren wie wir uns inzwischen geben, müsste ein Friedrich Schiller heute nicht mehr nach Thüringen flüchten, ein Friedrich Hölderlin müsste nicht verrückt werden. Was früher die Auswanderer und Missionare waren, sind heute die Geschäftsleute und Globetrotter. Und was sie in der Ferne probieren, wird auch auf der Filderebene nachgefragt.
Thailändisch essen gehen ist mittlerweile sogar dem Menschenschlag mit den pietistischen Wurzeln erlaubt. So sich der Schwabe die Verschwendung eines Porsches leistet, muss er das Luxusgefährt auch nicht mehr in der Garage verstecken und mit dem Zweitwagen zur Gemeinderatssitzung fahren. Und er muss - der Spaßgesellschaft sei Dank - nicht mehr zum Lachen in den Keller gehen. ""s isch nemme des" wird er entschuldigend formulieren - unsere traditionelle Tatsachenfeststellung mit dem traurigem Unterton, passend zu vielen Gelegenheiten. Denn im Grunde unserer Seele sind wir eben immer noch urschwäbisch.
Schaffe ond spare ist uns ein Urbedürfnis. Auch nach Feierabend und am freien Wochenende sitzen wir ungern faul rum. Deshalb haben viele von uns ein Gütle, wo sich der Schwabe und die Schwäbin an der frischen Luft erholen und gleichzeitig sparen können. Denn der selbst gezogene Rettich der Sorte Roter Neckarruhm schont ebenso das Haushaltsgeld wie die Wangenheimer Zwetschge, die gute Luise und der Boskop, mit dem wir vitaminreich über den Winter kommen. Gartenmöbel bräuchten wir eigentlich keine, denn das Gütle ist wie gesagt nicht zum domm romhocka da. Aber zwischenzeitlich wird man sogar von Landsleuten fast krumm angeguckt, wenn man nicht mindestens einen soliden Bank aus Teakholz (auch dieses Sitzmöbel ist bei uns männlich) vors Gartenhäusle stellt. Man braucht ja auch ein Plätzle zom Veschpra. Denn wer schafft, muss auch essen; stillvergnügt.
Ja, wir sind halt lieber hehlinge fröhlich, hehlinge reich und sogar hehlinge gscheit. Wir stellen unser Licht gern unter den Scheffel und gucken lieber henderm Vorhängle als am offenen Fenster nach, was die Nachbarin so treibt am helllichten Tag. Wir tragen unser Innerstes ungern nach außen, artikulieren Gefühle und Befinden zurückhaltend.
Saumäßig schön, sagen wir maximal, oder sauglatt oder obacha guat. Manchmal auch gottsmillionisch, jessasmäßig oder herrgottssack, was mit Ausrufezeichen versehen Ausdruck positiven Staunens ist. Unsere Dialektik (auf den Hegel sind wir gottsallmächtig stolz) wird deutlich, wenn wir die Vorsilbe "Sau" auch negativ verwenden: ein Saudackel ist genauso wüst wie ein Saumensch (das ist die Geliebte eines verheirateten Mannes), aber wüster als ein Allmachtsdackel, ein Furzklemmer oder ein Glufamichel. Als Zwischenstufe seien Bachel und Sempel genannt, hingegen ist der Bruddler oder der Denger eher gutmütig gemeint. Ganz spitzenmäßig aber ist einer, den die künftige Schwiegermutter als reachden Mo bezeichnet.
Ja, mit den Komplimenten tun wir uns heute noch schwer: die Superlative der jungen Generation sind alle aus dem Hochdeutschen oder dem Englischen entlehnt. Wir aber sagen nicht "wow", sondern ned schlecht. Bisweilen ringen wir uns auch ein "Reschpekt!" ab. Wir mögen halt das Gschwollene und die Leute mit Krattel nicht. Und wenn wir unser liebliches -le anhängen, ist die schwäbische Welt in Ordnung, ganz nach dem Motto: "Net gschimpft isch gnug globt." Schließlich ist das Spätzle bei uns nicht nur ein Grundnahrungsmittel, sondern auch ein Kosewort, ähnlich dem Moggele und dem Schätzle. Nur wer ein ganz schlechtes Gewissen dem Schneckle gegenüber hat, wird sich zum Aminoschlupferle versteigen.
Aber wehe, das Schätzle ändert sich: dann mutiert es zum Lombadierle, zur Goiß oder zum Ripp, das nemme sauber isch. Zur Scheidung ist es dann nicht weit. Die kostet aber Geld, und das geben wir nur notgedrungen aus. Müssen wir doch unser Sach zsammehalta, damit wir guten Gewissens ab und zu unseren Prosecco trinken und in ferne Länder reisen können. Denn nichts ist schöner, als nach dem wohl verdienten Urlaub wieder heimzukommen in unser saubers Ländle.