Fromme Hausfrau - Newsletter - Newsletter-Archiv - Urlaub in der Toskana (06/01) 



Liebe Freunde,

wir sind gerade von unserem Toskanaurlaub heimgekehrt und damit ich meinen Kältekulturschock besser überwinde, ist meine erste Handlung am PC, einige Notizen aus meinem Reisetagebuch zusammenzufassen und in alter Rundbriefmanier an alle, die es interessiert (und an einige, die es eher nicht interessiert), weiterzusenden. Ich habe im Vorfeld so viele wertvolle Tipps bekommen als Reaktion auf meine Notiz an der Pinnwand und konnte nicht so viele Postkarten schreiben :-)

Unser Urlaubsort hieß San Baronto bei Lamporecchio, Luftlinie zwischen Florenz und Lucca, für die Eingeweihten. Wir sind auf einem schattigen Campingplatz auf dem Montalbano gelandet, einem Dreisterneplatz, den man in der Vorsaison günstig mit Campingcheques bezahlen kann, sodass er dann auch für normal Sterbliche finanzierbar wird.

Unser Ziel war: Wandern in der Toskana jenseits vom Touristenrummel, und zwei drei schöne Städte besichtigen. Siena, Florenz und San Gimignano z.B.  Hier jetzt einige zusammengewürfelte Notizen:

Anfangs habe ich lange nichts gelesen, bin einfach dagesessen und habe alles auf mich einwirken lassen. Die Kinder beobachten, mit Werner plaudern, einkaufen, gut kochen, schlemmen. Die Luft ist geschwängert von süßem, schwerem Akazien- und Ginsterduft und glitzert silbern bis zum Horizont. Ich weiß jetzt, warum die Abbildungen in den hundert Toskanabildbänden, die ich in den letzten fünfzehn Jahren betrachtet habe, immer dunstige Landschaften zeigen. Weil es hier meistens dunstig ist.

Dann haben wir langsam die nähere Umgebung erkundet mit dem Gefühl, jede Menge Zeit zu haben. Die Mädchen haben sich, in kurze wippende Wickelröcke gehüllt,  auf dem Markt Haarspangen und Tops gekauft und nicht gemerkt, wie ihnen Blicke ganzer Gruppen italienischer Jungs folgten. Dafür hat Werner seinen Bodyguardgang reingelegt mit einem Blick hinter der Sonnenbrille, der genügte, seine drei Frauen vor einer ganzen Gang sizilianischer Mafiosi zu schützen.

Tagelang bin ich damit beschäftigt, mich an Jans neuer Freude am Wasser zu erfreuen, er macht erste Ansätze zu Schwimmübungen und hat hier völlig seine Angst vor dem Baden verloren. Ich habe das Gefühl, dass ich, wenn alle meine Kinder schwimmen gelernt haben, die wichtigste Aufgabe meines Lebens vollbracht habe. Wir amüsieren uns vierzehn Tage lang über den italienischen Bademeister, der in großer Selbstaufopferung täglich zehn Stunden lang darauf achtet, dass niemand das heilige Wasser betritt ohne - Bademütze. Diese unumstößliche Regel, die sich jeder Teenslogik widersetzt, überwacht er mit braun gebrannter gleichmütiger Autorität. "Baddekapp!!!", ruft er schallend, wenn jemand sich dem Pool ohne diese Kopfbedeckung nähert und springt, ansonsten die Gutmütigkeit in Person, behände mit Badeschlappen auf denjenigen zu, wodurch er augenblicklich zu einer Person des öffentlichen Interesses wird. Anfangs weigern sich Anna und Lena strikt, diese entwürdigende Maßnahme zu befolgen und verzichten auf das Baden gänzlich, aber nach zwei Tagen bei 30 Grad Celsius ist ihr Stolz gebrochen und sie bitten auf Knien um das Geld für eine Kopfbedeckung, zumal kein einziger weiterer Jugendlicher sich hier die Ehre gibt. "Diskutier das mit dem Bademeister" wird zu einem geflügelten Wort in diesem Urlaub. Der Mangel an anderen Teens eine Plage. Die gelangweilten Mädchen nerven Werner. Werner nervt die Mädels. Noch in keinem Urlaub habe ich so viel mit meinen Kindern gespielt wie dieses Mal.

Langeweile macht kreativ. Ich verspreche eine Prämie von 10 DM für denjenigen, dem es gelingt, Jan das Binden einer Schleife beizubringen. Anna übt eisern mit ihm, Jan beugt sich willig - und schafft es!! Was ich in jahrelangen halbherzigen Versuchen nicht erreicht habe, bringt sie in zwei Stunden zur Vollendung. Anna löst den Knoten in seinem Gehirn und Jans Finger lernen, ihren Windungen zu folgen.

Urlaub ist die Zeit, sich viele Gedanken um Dinge zu machen, die normalerweise untergehen. Beim Frühstück heute Morgen fragt Anna: "Jan, welche Marmelade soll ich nehmen?" Jan entnervt: "Nimm die Erdbeer. Oder frag mich nicht, ich bin doch nicht der Bademeister! Ich hab zu tun!" Spricht's und geht Müll leeren, seine Lieblingstätigkeit. Jan blüht mal wieder auf ohne Ende. Nur nicht, wenn er Geschirr spülen muss. Heute morgen ist Anna zur sanitären Anlage gelaufen mit einer Schüssel voll schmutzigen Geschirr und dem heulenden Bruder im Schlepptau. Ein gebrochener Mann. Wir lachen viel wegen ihm.

Zum Wandern sind wir in die Toskana gefahren, aber gleich der erste Versuch scheiterte wegen der Hitze. Fünf Leute um 13 Uhr einsam auf schattenlosem Asphalt zwischen malerischen Olivenhainen kurz vor einem Hitzestich ist keine lustige Sache. Vor sechzehn Uhr ist an keine Unternehmung außerhalb unseres schattigen Campingplatzes zu denken. Da dieser auf der Spitze des Montalbano liegt, genieße ich eben das unendliche Panorama vom Pool aus über die weite Ebene - monumental! Keine Mauern, keine Grenzen, der weite Blick tut meiner Seele gut. Hier weht immer ein Wind. Die Gegend ist fruchtbar, sanft hügelig, tausend Olivenbäume; wenn ich hier in der goldenen Abendsonne meinen Blick verliere, habe ich das gewisse Gefühl, daheim zu sein. Da senkt sich tiefe Ruhe auf mich. Ich bekomme Abstand von meinem Alltag - ab morgen will ich die Gegend kennen lernen. Nachts, nach der obligatorischen Rommeerunde mit den Mädchen, saß ich stundenlang unter dem klaren Sternenhimmel, beobachtete die Glühwürmchen und sog die Luft ein.

Anna leidet unter schwerer Langeweile, was uns wiederum einen Teil der Urlaubsfreude nimmt, die bisher darin bestand, alle zusammen glücklich darüber zu sein, zusammen in Urlaub zu sein. Nachts schläft sie alleine draußen unter freiem Himmel, tagsüber schreibt sie lange Briefe an ihre Freundin. Einen Gewittertag verbringt sie mit Deutschhausaufgaben (Der Richter und sein Henker) bei dem höchst alarmierten Charly im Auto, der mit Riesenaugen in der Ecke sitzt, alle Sinne hellwach. Sie möchte nie mehr mit uns in Urlaub gehen, wenn nicht eine Freundin mit darf oder eine andere attraktive Familie. Der Lauf der Dinge erfüllt mich doch mit Wehmut. Was für ein Verlust kommt da auf mich zu - und dennoch: die Opfer, die Werner und ich bringen, damit die Kids zufrieden sind, sind auch enorm. Vielleicht wird es auch enorm schön sein, eines Tages mal wieder ohne Kinder zu verreisen?

Seit wir einen Bus haben, gestalten sich die Fahrten relativ stressfrei. Wir bauen die Mittelbank raus und die Kinder machen sich Lager auf dem Boden neben dem Hund. Ich kurble, wenn ich meine Beifahrerpflichten erledigt habe, die Rückenlehne zurück, polstere mich mit Kissen zurecht und lese. Stundenlang, zwischen Blicken aus dem Fenster. Auf der Heimfahrt bin dabei ich auf Psalm 19 gestoßen und wusste genau, was David meint. Es war wie das Schlusswort zu unserem Toskanaurlaub und meinen landschaftlichen Eindrücken und ich brauchte nur noch ein Amen zu seufzen:

Der Himmel verkündet Gottes Größe und Hoheit,
das Firmament bezeugt seine großen Schöpfungstaten.
Ein Tag erzählt es dem nächsten,
und eine Nacht sagt es der anderen.
Ohne Worte reden sie, keinen Laut kann man hören.
Doch auf der ganzen Erde
hört man die Sprache der Schöpfung,
ihre Botschaft erreicht noch die fernsten Länder.
Der Sonne hat Gott am Himmel ein Zelt aufgeschlagen.
Am Morgen geht sie auf
und strahlt wie ein Bräutigam bei der Hochzeit.
Siegesgewiss wie ein Held beginnt sie ihren Lauf;
wo sie aufgeht und wo sie untergeht,
berührt sie den Horizont.
Nichts bleibt vor ihrer Hitze verborgen.

Wir hatten ausgemacht, dass der "Rommeekönig", der Sieger also, einen Wunsch frei hat, den er noch in diesem Urlaub einlösen muss. Das ist alte Tradition. Lena gewann und wünschte sich, dass wir zwei Tage früher als geplant abreisen sollten und auf dem Heimweg auf unserem Osterstammcampingplatz am Lago Maggiore Zwischenstation machen sollten.

Das taten wir dann und haben die Mädchen dadurch noch ein wenig versöhnt. Sie waren dort auf die Sekunde glücklich, zwei Sekunden nach unserer Ankunft hatten wir für zwei Tage keine Kinder mehr und sahen uns nur noch staunend an. Die alte Wahrheit, dass der Urlaub für die Eltern dann beginnt, wenn die Kinder Urlaub haben, hat sich immer noch bestätigt.

Auch wenn dieses Mal nicht alles so rund lief, ist mir wieder bewusst geworden, welch ein Gewinn wir immer aus diesen Auszeiten ziehen.

So viel Abstand von unserem Alltag, von Beziehungen, Druck, Telefon, Arbeit
So viel Zeit füreinander, für Gespräche, Körperkontakt, Lachen
Gerade auch den Partner entspannt erleben und mit ihm über die Beziehung reden anstatt über die Firma, die Gemeinde, die Eltern ... , stattdessen neue Visionen erspinnen
In völliger Unerreichbarkeit neue Horizonte erschließen und die schönsten Seiten der Schöpfung erleben

Allen, die in diesem Jahr noch in Urlaub fahren, wünsche ich viel Vorfreude und gutes Gelingen!

Eure Bianka

P.S. Noch ein Nachtrag zum letzten Newsletter: Katrine Trobisch Stewart, die Autorin des Buches "Mehr als ein Augenblick. Wie ich mein persönliches Journal schreibe", kommt im Frühjahr 2002 nach Deutschland und Österreich und kann zu Vorträgen oder Seminaren eingeladen werden. Wer Interesse hat, kann uns eine E-Mail schicken (frommehausfrau@brockhaus-verlag.com) und weitere Einzelheiten erfragen.