Fromme Hausfrau - Newsletter - Newsletter-Archiv - Ein Riss ging durch mein Leben (04/03) 



Liebe Freunde!

Ich habe es getan! Ich habe den letzten Satz meines neuen Tagebuches geschrieben, abgeändert, umgestellt, korrigiert, überarbeitet, erneuert und schließlich in seiner ursprünglichen Form wiederhergestellt! Er wird heißen: "Morgen liege ich in der Sonne." An mir liegt es nun nicht mehr - unter dem Titel "40 werden immer nur die anderen -  Neues aus dem Tagebuch der frommen Hausfrau" kann es nun Ende Mai erscheinen. Auf dem Titelblatt sind diesmal wir selbst zu sehen abzüglich Werner, der das Foto gemacht hat - zugegebenerweise ist das Bild bereits drei Jahre alt.

Augustinus Satz "Ringen wir mit der Zeit, gestalten wir sie! Und aus allen Zeiten werden heilige Zeiten" hat für mich eine neue Dimension erhalten. Viele von euch wissen, dass ich einen Knoten in der Schilddrüse hatte, den ich mir im Januar entfernen ließ. Er stellte sich überraschenderweise als ein bösartiger Tumor heraus. Viele von euch haben mitgelitten, mitgebetet, mich mitgetragen. Die Homepage ist für mich zum Segen geworden, zum Schlüssel zu unzähligen Frauen in der Nähe und Ferne, zu euch, eurer Teilnahme, Wertschätzung, zu vielen Hoffnungsträgerinnen und Mutmacherinnen. Ich werde das nie vergessen!

Meine Schilddrüse wurde vollständig entfernt. Die Strahlentherapie habe ich erst mal rumgebracht. Nach vier Wochen Abstinenz bekam ich endlich die Schilddrüsenhormone, die ich zum Leben brauche. Seither habe ich wieder mehr Kraft und Lebensfreude, kann meinen Haushalt wieder allein machen, arbeite wieder einen Tag in der Buchhandlung. Die Ärzte sagen, meine Prognose sei gut. In einigen Wochen muss ich noch einmal für drei Tage in Quarantäne in den Strahlenschutzbunker, danach kann man sehen, wie es in meinem Körper zur Zeit aussieht. Darauf bin ich sehr gespannt.

Vieles in meinem Leben ist relativ geworden. Die letzten Monate haben mich viel gelehrt. Nichts, was mein Kopf nicht gewusst hätte. Aber jetzt sitzt es tief. Gott war ziemlich hartnäckig damit, mir manche Dinge zu zeigen. Ich habe sehr klar gesehen, wie es mit meinem Gebetsleben aussieht. Ich weiß aber auch, wie treu Gott ist, wenn ich an einem Abgrund stehe. Wie rührend fürsorglich. Ich habe erlebt, wo mein Glaube trägt und wo er wankt.

Nach der erschreckenden Diagnose ging es mir mit dem Beten ziemlich schlecht. Irgendwann las ich in der Bibel: "Ihr braucht nicht zu verzweifeln, wenn euer Glaube immer wieder hart auf die Probe gestellt wird." Ja, genau so fühlte ich mich, das Leben aus den Angeln gerissen, am Fundament meines Glaubens gerüttelt. "Im Gegenteil: Freut euch darüber! Denn durch solche Bewährungsproben wird euer Glaube fest und unerschütterlich. Bis zuletzt sollt ihr so unerschütterlich fest bleiben, damit ihr in jeder Beziehung zur vollen geistlichen Reife gelangt ..."  -  mir war klar, dass mein Glaube hieran nur wachsen konnte oder scheitern, ich war selbst irgendwie gespannt, ob er jetzt tragen würde. Im Jakobusbrief steht weiter: "Betet aber in großer Zuversicht und zweifelt nicht, denn wer zweifelt, gleicht den Wellen im Meer, die vom Sturm hin- und hergetrieben werden." - Aber genau hier fühlte ich mich so schwach. Ich konnte kaum beten und schon gar nicht in großer Zuversicht. Ich fühlte mich wie so eine Welle. Diese Stelle machte mir richtig Angst. Da fiel mir der Vers ein, wo es heißt, dass Gott in meiner Schwachheit mächtig wird und ich ergab mich. Irgendwo tief in mir spürte ich die Erlaubnis, dass ich schwach sein durfte. Dass Gott zu mir stehen würde. Dass ich keine Gebetsleistung erbringen musste. Ab da vertraute ich darauf, dass andere für mich beten.

Und dann fiel mir ein, dass der Heilige Geist in unaussprechlichen Seufzern in uns betet. Ich fand die Stelle im Römerbrief: "Wir sind schwach und wissen nicht einmal, wie wir angemessen zu Gott beten sollen. Darum tritt der Geist bei Gott für uns ein mit einem Flehen, das sich nicht in Menschenworten ausdrücken lässt. Aber Gott, der unser Herz kennt, weiß auch, was der Geist ihm sagen will."

Und als ich später las: "Ich bin gewiss, dass uns nichts von dieser Liebe trennen kann: weder Tod noch Leben, weder Engel noch andere Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges..."  war mir klar, dass mich auch meine eigene Schwäche nicht von Gottes Liebe trennen konnte. Und so hat es sich auch angefühlt. Ich war schwach, aber Gott war da. Hinkend im Vertrauen darauf, dass Gott mich durchträgt, machte ich mich wieder auf den Weg.

Wie geht es mir heute?

Körperlich bin ich verletzlicher. Seit der Arzt sagte: "Es war ein Karzinom!", geht durch mein Leben ein Riss, mit dem ich lebe, an den mich meine Narbe erinnert. Aber Gott hat meine Seele geschützt. Eine Freundin hat mir einen Engel getöpfert, der auf die Erde fiel, bevor sie ihn mir schenken konnte. Sein Kopf brach ab. Sie klebte ihn wieder an, wagte es aber erst, ihn mir zu schenken, als sie hörte, dass der Knoten bösartig war. Er hat eine Linie an der Stelle wo ich eine Narbe habe. Das rührt mich sehr. Meine
"Sollbruchstelle".

Ich fühle mich irgendwie so abrufbar. Ernsthaft krank geworden und gestorben sind bisher immer nur die anderen. Bisher hatte ich eher die Haltung: Mist, von 80 Lebensjahren sind 40 statistisch gesehen rum. Welch ein Luxus! Heute weiß auch der letzte Zipfel meines Ichs: Mein Leben kann jederzeit zu Ende sein. Gott gibt jedem von uns eine begrenzte Zeit, die er kennt - und wir nicht. Danach bietet er uns die Ewigkeit an.

Dass Gott mich bis jetzt getragen hat, gibt mir Mut zu glauben, dass er es auch tun wird, wenn es noch härter kommt. Im Krankenhaus ist mir sehr bewusst geworden, was mein Lebensglück ist: Nicht die einzelnen Glücksmomente, die Highlights, sondern mein Alltag mitten unter diesen Menschen, die Gott mir gegeben hat. Ich hatte so eine Sehnsucht nach meinem ganz normalen Alltag!

Elke Werner hat nach einer überstandenen Krebserkrankung geschrieben: "Nicht im Gestern und nicht im Morgen ereignet sich das Leben, sondern in der Wirklichkeit des Augenblicks. Während ich die Vergangenheit bedauere und die Zukunft fürchte, spricht Gott zu mir: 'Ich bin!' Ich erfahre Gott weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft, denn Gott ist im Hier und Jetzt."

In Family hatte ich im Sommer einen Text geschrieben, der mir heute wie eine Predigt an mich selbst vorkommt:

"Ich bin es, die festlegt, wem meine Zeit und meine Liebe gehören. Ich bin es, die langsamer gehen muss, wenn die Schritte zu hasten beginnen, die die Stille suchen muss, wenn die Seele dem Leben nicht mehr hinterher kommt. Nur ich selbst kann mir erlauben, Ruhepausen zu machen in der Verwirrung des Tages: Minutenurlaube mit Musik, Lesen, Spazieren, Hund - und Sonne. Ich will nicht der Versuchung erliegen, jeden Augenblick meines Lebens fruchtbar verbringen zu müssen. Ich habe ja nichts außer Augenblicken. Sie zu gestalten, will ich weiter lernen. Ich will dem Kind in mir erlauben, Augenblicke in die Hand zu nehmen und zu verschleudern: spontan, fröhlich, zweckfrei. Ich habe keinen Grund zu klagen.

Jeden Tag gibt Gott mir Licht für meine Seele, Boden unter meinen Füßen, Kraft für meine Arbeit, Worte für mein Herz, Zärtlichkeit für meine Seele, neues Vertrauen. Duft, Essen, Blumen und Musik, Musik. Ich will Sonne auf der Haut fühlen. Den Wind im Gesicht. Regen. Der Erde nah sein. Käfer sehen. Warme, erdige Luft riechen. Den Vögeln zuhören. Schmetterlingen beim Tanzen zusehen. Den Geschmack der ersten Erdbeere kosten. Dem Leben in die Augen blicken. Hinter allem Gott wissen. Ich will ein Ja haben zu all meinen Augenblicken. Zu denen, in die ich Fleiß investiere. Zu denen, die ich aus Liebe einem Menschen schenke. Und zu denen, die mir das Leben als Fest anbietet. Ich möchte mein Leben nicht einfach verstreichen lassen. Morgen liege ich in der Sonne."

Ich fahre jetzt mit Werner für fünf Tage allein nach Italien.

Gott segne euch!

Eure Bianka