Fromme Hausfrau - Newsletter - Newsletter-Archiv - Wahlfreiheit (12/03) 



"Wie geht es dir?", fragen mich Menschen neuerdings mit einem kurzen Seitenblick. Tja, wie geht es mir?
Irgendwann fällt mir auf, dass ich immer denselben Gedanken habe bei dieser Frage. „Schlecht", denke ich, "mir geht es schlecht, ich hatte im Januar Krebs.“ Dann denke ich noch: „Die Ärzte sagen, es könnte überstanden sein. Ich soll aber unbedingt jede Nachsorgeuntersuchung wahrnehmen.“ Und fühle dumpfes Selbstmitleid. "Zeit heilt Wunden", denke ich, "ich brauche noch Zeit." Beim nächsten Mal versuche ich, mir auf die Schliche zu kommen, den Automatismus zu durchbrechen. „Eigentlich geht es mir gut“, höre ich mich sagen und das bleibt das Größte, was mir über die Lippen kommt. Und klingt noch nicht einmal überzeugend.

Früher sagte ich immer fröhlich „Gut!“ auf die Frage nach meinem Befinden, so überzeugt, dass manche genervt waren und nicht mehr fragten. Ich habe es satt. Ich möchte nicht mehr denken, dass es mir schlecht geht. Es geht mir doch gar nicht schlecht. Verändert halt, aber im Vergleich zum Januar Welten besser. Ok, ich wurde verletzt, aber ich habe doch auch viel gelernt. Bin Gott nah gekommen. Ich bete um ein neues Lebensgefühl. Um Heilung meiner Seele. Zunächst ändert sich nichts. Eines Tages verlasse ich die Buchhandlung. Der Morgen war widerlich, es war Weihnachtsrummel und der Computer ausgefallen. Wir mussten von jeder Ware das Etikett abziehen und mit dem Taschenrechner zusammenrechnen. Eine Meute Kunden sah uns dabei zu, wartend. Es war bescheuert und anstrengend. Typisch: Jedes Jahr zu Weihnachten Probleme. Komisch eigentlich ...

Vor dem Laden treffe ich eine alte Lehrerin. Sie freut sich und fragt: „Bianka!! Wie geht es dir?“ Es scheint sie wirklich zu interessieren. „Schlecht“, denke ich, „ich hatte Krebs im Januar und der Computer ist kaputt.“ „Mal so, mal so“, sage ich. Und denke, dass ich doch bescheuert bin, jetzt habe ich es wieder getan. Da hakt sie nach: „Konntest du einen Teil deiner Lebensträume verwirklichen?“ Wie vom Blitz getroffen stehe ich da. „Ja“, denke ich sofort, "ja!" Mir fällt Werner ein, meine drei Kinder, die Pferde. Dann das Schreiben, der Laden, Gott. Ja! Ich konnte einen großen Teil meiner Lebensträume verwirklichen! Das ist viel mehr als eine Krebserkrankung im Januar. Ich strahle sie an. Tage später geht mir ihre Frage noch durch den Sinn, und immer mehr ist mir, als hätte Gott selbst zu mir gesprochen. Etwas ist verändert. Ich fange an zu üben.  Wenn mich jemand fragt, wie es mir geht, denke ich: "Ich konnte meine wichtigsten Lebensträume verwirklichen!" Dann fällt mir ein: "Im Januar hatte ich aber Krebs ..." Immerhin eine neue Reihenfolge.

Dann „fällt mir ein Buch zu“. Ich lese das Tagebuch von Rainer Wälde, in dem er die letzten 300 Tage im Leben seiner Bettina schildert, und Tage ohne Bettina (Bis zur Tür des Himmels). Sie starb an Krebs und hatte von der Diagnose ab noch 10 Monate voller Leid und Kampf. Ich fange an zu rechnen: Wenn bei mir nicht Papilläres Schilddrüsenkarzinom im Frühstadium erkannt worden wäre, sondern wie bei Bettina damals Morbus Hodgkin im fortgeschrittenen Stadium, dann würde ich genau jetzt auf dem Sterbebett liegen. Welch eine Vorstellung. Neben all dem Unaussprechlichen, was ich beim Lesen dieses sehr persönlichen, berührenden, ehrlichen Buches lerne, lerne ich dies: Es geht mir gut! Objektiv und subjektiv gut. Dankbarkeit breitet sich in mir aus für jeden einzelnen guten Tag mit diesem Mann, mit diesen Kindern, diesen Pferden ...

Ich dachte, 40 werden immer nur die anderen. Jetzt bin ich 41 und Gott hat mich vielleicht auf ganz besondere Weise bewahrt. Vielleicht hat er noch viele Jahre für mich. Die möchte ich dankbar aus seiner Hand nehmen.

Gestern kam ein Weihnachtsrundbrief aus Afrika. Eine dominikanische Schwester, Freundin meiner geliebten Tante, durch die ich gläubig geworden bin, hat mich auf ihren Verteiler gesetzt. Zimbabwe  entwickelt sich seit Jahren dramatisch zurück zum Hungerland, dessen Infrastruktur mittlerweile weitgehend zerstört ist. Sie arbeitet in einer Schule, in der Hunderte von Aidswaisen unterrichtet werden. Der Brief war das vorläufig letzte Pflaster auf meiner Seele. Es geht mir gut, Gott!

Sie schreibt:
"Noch geht es uns einigermaßen gut, auch wenn der Gürtel enger geschnallt werden muss. Wir haben ein Dach über dem Kopf und gehören noch nicht zu den sechs Millionen, die erbarmungslos dem Hungertod ausgesetzt sind. Wir sind glücklich und haben Mut und Hoffnung nicht aufgegeben.
Vielleicht ist es Sache des Temperaments, des erlittenen Geschicks und der persönlichen Geistigkeit, ob jemand mit hellen und frohen Augen in die Welt blickt oder mit verschleierten und getrübten. Oder, ob jemand die Menschengeschichte als Chaos von Blut und Tränen begreift oder als einen Strom mühsamen, aber erfahrbaren Fortschritts. Ja, letztlich, ob jemand Christenheit als Kümmerformen religiösen Lebens versteht oder als Vertiefung gläubiger Existenz.
Die weihnachtliche Festfeier kennt weder eine pessimistische noch eine optimistische Welt und Menschenbetrachtung. Ihr spiritualer Realismus weiß um die Versagung, davor aber und darüber hinaus die lichte Silhouette der Erschlossenheit.
So wünsche ich allen ein recht frohes, realistisches und friedvolles Fest der Geburt Christi.“

Das wünsche ich euch auch! Ich danke euch für jedes Herzenszeichen im vergangenen Jahr, für jedes Gebet, jede Freundlichkeit. Da meine Liebessprache Lob und Anerkennung ist, fällt das alles auf vorbereiteten Boden, ermutigt mich und tut mir gut.  :-)

Bitte glaubt mir: Auch wenn ich nicht mehr einzeln darauf reagieren kann, ist jede Geste ein Geschenk für mich.

Auf ein neues!

Eure Bianka

Das Geheimnis
der Weihnachtszeit
zaubert mir
schon am Morgen
ein lichtes Lächeln
auf mein noch
müdes Gesicht.
Trostgedanken
wachsen mir leise
von innen her zu,
und mein Herz
weitet sich
zu einer Herberge
des Friedens.

Christa Spilling-Nöker